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Jenseits des Interesses an der Tagespresse ist ein Ausblick auf die katho-
lisch-konservative Wochen- und Monatspresse geboten. Am 1. Oktober 1918
erschien in Wien die erste Nummer der Wochenschrift Die Monarchie, deren
Programm christliche Ideale und die Rechte der Völker der Habsburgermo-
narchie waren. Mehrere Mitarbeiter standen dem Legitimismus nahe, von
einem Organ desselben kann aber nicht die Rede sein.103 Die achte Nummer
am 21. November erschien angesichts der inzwischen veränderten staats-
rechtlichen Situation unter dem Titel Das Neue Reich.104
Von den Mandataren stand vor allem Hans Karl Zeßner-Spitzenberg hin-
ter diesem Blatt.105 Kennzeichnende Züge waren die tiefe Verankerung in
der katholischen Lehre, der Glaube an die österreichische Staatsidee und
die Ablehnung des Gedankens der Volkssouveränität mit entsprechenden
Vorbehalten gegen die Republik. Das NR zeichnete sich durch ein hohes kul-
turelles Niveau aus; es sprach vornehmlich Akademiker an, und zwar auf
internationaler Ebene.106 Hauptschriftleiter war der aus Württemberg nach
Österreich gekommene Josef Eberle, ab 1913 Redakteur der Reichspost.107
Zu Friedrich Funder hatte er ein kühles, aber von Respekt getragenes Ver-
hältnis.108 Im Wiener Salon seines späteren Schwiegervaters knüpfte er Kon-
takte zu konservativen Katholiken.109 Er zeigte große Sympathien für den
Legitimismus und verurteilte die Pariser Friedensordnung.110
1925 beendete Eberle die Tätigkeit beim NR, weil ihm schien, der Ein-
fluss aus Deutschland werde übermächtig und dränge das Konservative und
Österreichische zurück. Daher gründete er die Wochenschrift Schönere Zu-
kunft111, die durch „positive Herausarbeitung der allgemeinen christlichen
Wahrheiten und Werte“ wirken sollte.112 Die darin vertretenen Ideale waren
eine berufsständische Ordnung, eine an vormodernen Mustern orientierte
Sozial- und Wirtschaftspolitik und ein hoher Stellenwert der Familie in der
103 ePPel, Zwischen Kreuz, 17 und 311; hofer, Joseph Eberle, 85 und 97.
104 fellner, Reichsgeschichte, 363; hofer, Joseph Eberle, 93–95; D. J. weiss, Transformati-
onen, 97; werner, Die Wiener Wochenschrift, 3–7; ZieGerhofer-Prettenthaler, Schönere
Zukunft, 398.
105 O. weiss, Rechtskatholizismus, 25.
106 werner, Die Wiener Wochenschrift, 14 und 27–32; wohnout, Bürgerliche Regierungspar-
tei, 192.
107 O. weiss, Rechtskatholizismus, 16 f.; werner, Die Wiener Wochenschrift, 8.
108 hofer, Joseph Eberle, 82 f.; ZieGerhofer-Prettenthaler, Schönere Zukunft, 396 f.
109 ePPel, Zwischen Kreuz, 36; ZieGerhofer-Prettenthaler, Schönere Zukunft, 397.
110 ZieGerhofer-Prettenthaler, Schönere Zukunft, 406 f.
111 ebner, Politische Katholizismen, 190; ePPel, Zwischen Kreuz, 18; hofer, Joseph Eberle,
116; werner, Die Wiener Wochenschrift, 9.
112 ZieGerhofer-Prettenthaler, Schönere Zukunft, 398 f.
3.1 ÖSTERREICH 1918–1938 69
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580