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Gesellschaft113, aber auch ein starker Antisemitismus.114 Die Ideen von 1789
bereiteten Eberle Unbehagen. Aus seinem antirationalistischen Geschichts-
bild resultierte eine nicht immer sachliche Kritik an Liberalismus, Kapita-
lismus und Sozialismus.115
Gern hob Eberle kulturelle Gemeinsamkeiten zwischen Deutschland und
Österreich hervor.116 Eines seiner leitenden Prinzipien war die Absicht, dem
Nationalsozialismus den Wind aus den Segeln zu nehmen.117 Er hoffte, der di-
rekten Konfrontation mit dem Dritten Reich entgehen zu können, indem sich
das Blatt auf die rein geistige Ebene zurückzog.118 Sein 1945 erschienenes
Buch Das Los der christlichen Presse im Dritten Reich, beleuchtet am Beispiel
der Zeitschrift „Schönere Zukunft“, in dem sich die in der Zwischenkriegszeit
kultivierten konservativen Ideale verdichten, belegt seine innere Ferne vom
Nationalsozialismus. Er hatte aber zu bedenken, dass zwei Drittel der Leser
seines Blattes in Deutschland lebten.119 Und es mussten auch Rücksichten
auf die deutsche Regierung genommen werden, damit es nicht verboten wer-
de.120 Friedrich Funder, einer der vehementesten Gegner des Nationalsozia-
lismus in Österreich, war einer von wenigen, die dies erkannten; er bezeich-
nete NR und SZ als „Spitzenleistungen vornehmster Publizistik“.121
Obwohl Eberles Bemühungen um einen Ausgleich Österreichs mit dem
Dritten Reich nicht in die Substanz gingen122, vermitteln die Bezugnahmen
auf den Nationalsozialismus mitunter ein verzerrtes Bild desselben; die Un-
terschiede zum eigenen Denken wurden zu wenig akzentuiert.123 Auch las-
sen sich im Laufe der Zeit Veränderungen wahrnehmen: Waren 1930 noch
im echten Sinne konservative Anliegen vorrangig, traten seit 1931 verfäng-
liche Formulierungen häufiger auf. 1933 wurde die redaktionelle Linie noch
weiter im Sinne einer Rücksichtnahme auf Deutschland modifiziert. Aller-
dings wehrte sich Eberle nach Kräften gegen jede Gleichschaltung, und er
war sich auch der Problematik des Verschweigens bestimmter Vorkomm-
113 ePPel, Zwischen Kreuz, 101–107.
114 ePPel, Zwischen Kreuz, 40 und 144–192; hofer, Joseph Eberle, 152; O. weiss, Rechtska-
tholizismus, 20 f.
115 ePPel, Zwischen Kreuz, 83 f. und 94–97; hofer, Joseph Eberle, 126.
116 ePPel, Zwischen Kreuz, 138; connelly, From Enemy, 94.
117 ePPel, Zwischen Kreuz, 39–44 und 343 f; skeptisch die diesbezüglichen Formulierungen bei
O. weiss, Rechtskatholizismus, 18 f.; vgl. auch seefried, Reich, 217–221.
118 ePPel, Zwischen Kreuz, 303.
119 schweitZer, Volkstumsideologie, 61.
120 ePPel, Zwischen Kreuz, 277 f.
121 hofer, Joseph Eberle, 107.
122 hofer, Joseph Eberle, 352 f.
123 ePPel, Zwischen Kreuz, 93 und 139–141.
3. DER POLITISCH-GEISTESGESCHICHTLICHE
RAHMEN70
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580