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so Messner, sei in der Verfassung zwar zu berücksichtigen, solle aber nicht
deren Grundlage sein, weil sie von der staatlichen „wesenhaft verschieden“
sei. Sie verlange kein bestimmtes Wirtschaftssystem, sondern müsse als Ge-
sellschaftsordnung von der politischen Ordnung getrennt sein.435
Messners Ruf, „der offizielle Chefideologe des Ständestaates“ gewesen zu
sein436, bedarf einer differenzierten Analyse; sein Anteil an der Vorbereitung
der Maiverfassung ist in der Forschung umstritten.437 1934 distanzierte er
sich vom Begriff „Ständestaat“ und sprach von „Ständedemokratie“.438 In der
Frage der Parteien waren seine Einschätzungen schwankend. Während er
sich in einem 1935 erschienenen Dollfuß-Buch439 negativ über sie äußerte,
räumte er ihnen ein Jahr später in seinem Hauptwerk Die Berufsständische
Ordnung eine gewisse Berechtigung ein.440 1935 war er Mitorganisator einer
von Kardinal Innitzer, Fürstbischof Waitz und Friedrich Funder geleiteten
Tagung in Wien über die berufsständische Ordnung.441
Messners Hauptwerk war unter den Zeitgenossen umstritten: Die
MSchKP führte dies darauf zurück, dass die geistigen Voraussetzungen der
neuen Ordnung erst erarbeitet werden müssten. Viele seien enttäuscht, weil
sie sich zu rasche Erfolge erwartet hätten; auch lebe noch zuviel Klassen-
geist weiter.442 Ein sehr gutes Zeugnis stellte dem Werk der 1928/29 an der
Universität Graz443 und seit der Flucht vor den Nationalsozialisten in Istan-
bul lehrende deutsche Nationalökonom Wilhelm Röpke444 aus, der Messner
zugute hielt, dass er die Notwendigkeit gesehen habe, „Probleme höherer
Ordnung“ zu lösen, und vor allzu straffer Organisation gewarnt habe.445
Auch Minister Ludwig Strobl lobte das Buch.446 Offen bleibt, ob es Messners
Einfluss zuzuschreiben ist, dass 1937 selbst Kurt Schuschnigg einräumte,
435 messner, Ordnung, 66; vgl. LThK/III 2 (1994), 300 f. (A. rauscher); novotny, Der berufs-
ständische Gedanke, 214; rumPler, Ständestaat, 240; streitenberGer, Leitbild, 178.
436 rumPler, Ständestaat, 231.
437 Wenig Einfluss nehmen an: ludwiG, Österreichs Sendung, 189; rumPler, Ständestaat, 236;
(großen) Einfluss hingegen: busshoff, Berufsständisches Gedankengut, 14; falle, Wur-
zeln, 38–40; Klose, Geistige Grundlagen, 58; novotny, Der berufsständische Gedanke, 212;
streitenberGer, Leitbild, 132.
438 PytliK, Berufsständische Ordnung, 66.
439 Vgl. weiler, Ethik, 37 f.
440 Ein Vorabdruck der wichtigsten Thesen erschien 1936: MSchKP 1, 869–880 (J. messner).
441 PytliK, Berufsständische Ordnung, 63–69; streitenberGer, Leitbild, 162.
442 MSchKP 2, 166 f.
443 habermann, Das Maß, 11 und 201 f.
444 Vgl. das Biogramm bei mooser, Liberalismus, 137–141.
445 MSchKP 2, 325–332 (W. röPKe).
446 MSchKP 2, 414–427 (L. strobl).
3.4 DIE ENZyKLIKA QUADRAGESIMO ANNO UND DIE KATHOLISCHEN SOZIALTHEORETIKER 101
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580