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vor allem die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit diesem Land.548 Zunächst
bedurfte es indes diplomatischer Interventionen in der Südtirolfrage549, die
sich aufgrund einer antiitalienischen Kundgebung in Innsbruck im Juni zu-
gespitzt hatte.550 Im Juli begannen Verhandlungen über eine wirtschaftliche
Annäherung.551
Die faschistische Machtergreifung, die außenpolitisch mit hohen Ambitio-
nen verbunden war552, wurde in Österreich von einigen wenigen mit Bewun-
derung553, größtenteils aber mit Sorge beobachtet. Obwohl das neue Regime
außenpolitisch zunächst weitgehende Kontinuität wahrte554, waren Versu-
che der Einflussnahme auf innerösterreichische Angelegenheiten nicht zu
übersehen, etwa Ende 1922, als die Ernennung eines neuen Präsidenten der
Österreichischen Nationalbank anstand.555
Vorsichtiges Werben
Der PNF versuchte seit seiner Gründung, auch im Ausland für seine Kon-
zepte zu werben. Zwischen 1921 und 1922 entstanden erste sogenannte
Fasci Italiani all‘ estero, Zusammenschlüsse von im Ausland lebenden
Kriegsveteranen, die Propaganda für das universalistische Credo betrie-
ben.556 Ihr Hauptanliegen war es, persönliche Bekanntschaften oder Inte-
ressenverbindungen mit den Eliten des Gastlandes zu nutzen, um diese auf
Mängel des jeweiligen politischen Systems hinzuweisen und ihnen die Er-
folge des Faschismus zu veranschaulichen.557 Auch in Österreich spielten die
Auslands-Fasci eine Rolle.558
Ende März/Anfang April 1923 führte Bundeskanzler Seipel in Rom poli-
tische Gespräche. Von Don Luigi Sturzo, dessen Denken dem christlichsozi-
aler Kreise in Österreich entsprach559, erhielt er für ihn beruhigende Infor-
mationen: Der Mitbegründer des Partito Popolare Italiano betrachtete den
548 Kusstatscher-oberKofler, Beziehungen, 118–146 und 188–191.
549 Mussolini wollte um jeden Preis an der Brennergrenze festhalten; di nolfo, Rapporti, 36.
550 ADÖ 4/670 und 675; vgl. Kusstatscher-oberKofler, Beziehungen, 191–197; malfèr, Wien
und Rom, 124–129.
551 Kusstatscher-oberKofler, Beziehungen, 97–104; malfèr, Wien und Rom, 107–119.
552 di nolfo, Rapporti, 33.
553 Kusstatscher-oberKofler, Beziehungen, 116 f.
554 malfèr, Wien und Rom, 120–123; w. rauscher, Der Aufstieg, 360.
555 malfèr, Wien und Rom, 130 f.
556 bauerKämPer, Der Faschismus, 63.
557 scholZ, Italienischer Faschismus, 444 f.
558 scholZ, Italienischer Faschismus, 12.
559 MSchKP 1, 284 f.; kritischer äußerte sich das NR 23. 4. 1927 (A. Posch).
3.5 DIE NACHBARSCHAFT DES FASCHISTISCHEN ITALIEN 111
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580