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Republik Österreich und dankte für den Kredit. Bezüglich der Heimwehren
mahnte Mussolini zu Einigkeit; über einzelne Führer besaß er erstaunlich
detaillierte Informationen.614 Den Höhepunkt des Besuchs bildete die Un-
terzeichnung eines Freundschafts-, Vergleichs- und Schiedsgerichtsvertrags
zwischen Österreich und Italien am 6. Februar. Italien wurde dadurch zur
„diplomatischen Schutzmacht“ Österreichs.615
Dies schien angesichts des steilen Aufstiegs der NSDAP in Deutschland
und der in diesem Land bestehenden Ambitionen in Betreff Österreichs in
besonderer Weise geraten zu sein.616 Ende Februar 1930 erläuterte Schober
seine Politik in Berlin, wobei er vor allem die Wirtschaftskrise ansprach. Bei
seinem Rombesuch sei er keinerlei Bindungen irgendwelcher Art eingegan-
gen; Österreich werde an seiner Neutralität festhalten.617
Im Sommer 1930 wurden die Zurufe aus Italien in Betreff der Heimwehr
wieder lauter. Schon während seines Rombesuchs hatte Schober von Un-
einigkeit innerhalb des Wehrverbands berichtet. Nach dem Korneuburger
Eid im Mai verschlechterte sich das Verhältnis der Heimwehr zum Kanzler
deutlich.618 Parallel dazu suchte Österreich die Nähe zu Frankreich, was
wiederum in Rom nicht gern gesehen wurde.619 Im Juni überbrachte Au-
ßenminister Grandi Schober eine Botschaft Mussolinis, der Kanzler möge
nicht zulassen, dass die Kraft seiner Regierung durch Zwischenfälle in der
Heimwehr geschwächt werde; deren Führung müsse er so verändern, dass
die Heimwehr völlig hinter der Regierung stehe. Der Angesprochene be-
tonte die Wichtigkeit, die er der Freundschaft mit Italien beimesse, aber
auch den Willen, die österreichische Neutralität aufrecht zu erhalten.620
Die Führung der Heimwehr sollte seinem Wunsch gemäß an Ernst Rüdi-
ger Starhemberg übergehen. Dies hießen auch die italienischen Gesprächs-
partner gut.621 Als Schober im September in Genf Grandi neuerlich traf,
beglückwünschte ihn dieser zur jüngsten Entwicklung innerhalb des Wehr-
verbands.622
614 ADÖ 6/1005.
615 ADÖ 6/1004; vgl. Potočnik, Bewusstsein, 145–150; schmölZer, Beziehungen, 11–18.
616 britZ, Die Rolle, 7.
617 haas, Römische Allianz, 72 f.; schmölZer, Beziehungen, 19 f.
618 KereKes, Abenddämmerung, 67–74.
619 schmölZer, Beziehungen, 21–28.
620 ADÖ 7/1027; schmölZer, Beziehungen, 34 f.
621 colotti, Fascismo, 320 f.; KereKes, Abenddämmerung, 74–77. Zu einer Art Geistesver-
wandtschaft zwischen Mussolini und Starhemberg vgl. reichhold, Kampf, 67 f.
622 ADÖ 7/1040. 3. DER POLITISCH-GEISTESGESCHICHTLICHE
RAHMEN118
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580