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Städte, die Gesundheits- und Familienpolitik und die bewusste Anknüpfung
an das antike Imperium.735 Mussolini selbst bescheinigte er – anders als Hit-
ler – ein Gefühl für die Grenzen des guten Geschmacks.736 Schuschnigg er-
reichte, dass am 27. September 1934 im Völkerbund von Seiten Frankreichs,
Großbritanniens und Italiens eine Garantieerklärung für Österreich abgege-
ben wurde.737 Der Terror der Nationalsozialisten ließ etwas nach.738
Nach dem Juliputsch: Abrücken Italiens von Österreich
Ernst Rüdiger Starhemberg befand sich zur Zeit des Juliputschs in Italien.
Um seine Sicherheit besorgt, stellte Mussolini für den Rückflug nach Wien
eine italienische Verkehrsmaschine zur Verfügung.739 In einem Beileidste-
legramm an den Heimwehrführer, damals auch Vizekanzler, versprach er,
Italien werde die Unabhängigkeit Österreichs fortan noch energischer un-
terstützen. Die italienischen Medien reagierten auf den Putsch mit solcher
Heftigkeit, dass sich der deutsche Gesandte in Rom offiziell beschwerte.
Mussolini nannte Hitler in einem Privatgespräch mit Starhemberg einen
„gefährlichen Narren“ und betonte die Unterschiede zwischen Faschismus
und Nationalsozialismus.740 In diesem Zusammenhang ist die Stimme eines
jungen Österreichers, der sich gerade in Triest und Venedig aufhielt, von
Interesse: 1936 schrieb Frank Gerhard Zwillinger aus zweijähriger Rück-
schau im CS, das italienische Volk, das Österreich liebe und seinen Sinn für
Heimattreue schätze, habe große Empörung über das Attentat gezeigt; Mus-
solini lobte er für seine „echte menschliche Anteilnahme“.741
Im August 1934 traf Schuschnigg den Duce in Florenz; dass die Verhand-
lungen in deutscher Sprache geführt wurden, nahm der österreichische
Kanzler zumal angesichts der Hilfsbedürftigkeit seines Landes mit Wohl-
gefallen zur Kenntnis.742 Er hielt weitere Gewaltakte der Nationalsozia-
listen für möglich und einigte sich mit Mussolini darauf, dass Österreich
seine Verteidigungskapazität ausbauen werde; ein Kompromiss mit dem
Nationalsozialismus verbiete sich wegen des unlösbaren weltanschaulichen
Gegensatzes. Die politische Zusammenarbeit mit Italien wurde bestätigt;
735 K. schuschniGG, Requiem, 221.
736 K. schuschniGG, Requiem, 229.
737 stuhlPfarrer, Außenpolitik, 330.
738 binder, Der „Christliche Ständestaat“, 218.
739 britZ, Die Rolle, 92; Kindermann, Österreich, 255.
740 Kindermann, Hitlers Niederlage, 174–178; Kindermann, Österreich, 236 f.
741 CS 26. 7. 1936 (F. G. ZwillinGer).
742 K. schuschniGG, Requiem, 219 f. 3. DER POLITISCH-GEISTESGESCHICHTLICHE
RAHMEN130
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580