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Zum erfolgreichen Abschluss des Konflikts schickte Starhemberg dem
Duce ein Glückwunschtelegramm.783 Dieser ohne Wissen des Bundeskanz-
lers gesetzte Akt, der für Starhemberg im Mai die Entlassung als Vizekanz-
ler zur Folge hatte784, löste negative Reaktionen der britischen und französi-
schen Diplomatie aus.785
Mussolini zeigte zwar Verständnis, er wollte – und konnte – aber seine
Zusagen hinsichtlich der Unabhängigkeit Österreichs nicht mehr aufrecht
halten.786 Am 16. Mai 1936 erklärte er dem Heimwehrführer, was später
sein neuer Außenminister und Schwiegersohn Galeazzo Ciano mit Richard
Schüller besprechen sollte787, nämlich dass im Fall eines Angriffs Deutsch-
lands auf Österreich aus Italien keine Hilfe mehr zu erwarten sei.788 Fried-
rich Funder schätzte die Lage daher richtig ein, wenn er den Abessinien-
krieg die „Schicksalswende Österreichs“ nannte.789 Erschwerend kam eine
Zuspitzung des Konflikts zwischen der christlichsozial-demokratischen und
der faschistischen Richtung innerhalb der Heimwehr hinzu. Der Bundes-
kanzler bekräftigte seinen Willen zur Beibehaltung des autoritären Kurses,
erklärte aber auch, dass für Österreich eine dem Faschismus völlig analoge
Ordnung nicht in Frage komme.790
Im Juni besuchte er Mussolini auf dessen Sommersitz in Rocca delle Ca-
minate nahe seinem Geburtsort Predappio, um ihn über zuvor geführte Ge-
spräche mit Franz von Papen zu informieren.791 Er hatte den aufrichtigen,
im Licht der nachfolgenden Ereignisse freilich naiven Willen zur „Wieder-
herstellung der alten, naturgegebenen Freundschaft Oesterreichs mit dem
Deutschen Reich“. Dass ihn der Duce dabei zu unterstützen vorgab792, hatte
freilich andere Gründe, denn Italien war nach dem Abessinienkrieg auf
einen mächtigen Verbündeten angewiesen, und diesen sah es in Deutsch-
land.793 Daher waren es nur hohle Worte, wenn Mussolini versicherte, Öster-
reich sei durch die enger werdende Freundschaft Italiens mit Deutschland
„mehr denn je und verlässlicher gesichert“.794 Kurt Schuschnigg machte ihm
783 britZ, Die Rolle, 132–134.
784 binder, Der „Christliche Ständestaat“, 219 f.; orlando, Rolle, 62–64.
785 G. stourZh, Außenpolitik, 328.
786 britZ, Die Rolle, 12; de felice, Breve Storia, 84; scholZ, Italienischer Faschismus, 436.
787 nautZ, Unterhändler, 154; zu Ciano vgl. österreicher, Fulvio Suvich, 93 f.
788 niGlia, Mussolini, 77.
789 G. stourZh, Außenpolitik, 326; stuhlPfarrer, Außenpolitik, 331 f.
790 schmölZer, Beziehungen, 203–206.
791 ara, Österreichpolitik, 117 f.; schmölZer, Beziehungen, 208 f.
792 K. schuschniGG, Requiem, 226.
793 di nolfo, Rapporti, 77 f.
794 K. schuschniGG, Requiem, 184; vgl. auch ebd. 246.
3.5 DIE NACHBARSCHAFT DES FASCHISTISCHEN ITALIEN 135
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580