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Fall die Stresa-Front reaktivieren, um Österreich zu retten.805 Im März 1936
kritisierte er aber auch das Verhalten österreichischer Politiker, die den Na-
tionalsozialisten den Weg geebnet hätten; in weiten Teilen der Bevölkerung
glaubte er indes eine andere Stimmung zu erkennen. Er selbst war in Rom
bereits im Februar in Ungnade gefallen: Als die Ernennung eines Presse-
attachés in Wien anstand, wurde er übergangen. Hierfür könnte eine von
Franz von Papen gesteuerte Intervention Hitlers in Rom mitentscheidend
gewesen sein.806 Um Morreale aus Österreich endgültig zu entfernen, wurde
er Ende des Jahres zum Konsul in Baltimore ernannt. Für diese nach au-
ßen hin ehrenvolle Beförderung dürfte von Deutschland ausgehender Druck
maßgeblich gewesen sein, so dass Morreale im Januar 1937 Österreich für
immer verließ.807 Der CS widmete dem Faktum eine Notiz, aus der Bedau-
ern sprach: Der Scheidende sei „ein erprobter Freund Österreichs”, der ein
Vertrauensverhältnis zu führenden Persönlichkeiten aus Österreich gehabt
habe, von „staatsfeindlicher Seite“ allerdings heftigen Angriffen ausgesetzt
gewesen sei.808
Diplomatischer verhielt sich der italienische Gesandte in Wien, Francesco
Salata, der am 7. Dezember 1936 von einer Schwächung des ideologischen
Potentials der österreichischen Regierung und von einem schwieriger gewor-
denen Verhältnis zu Italien sprach.809 Er bezog sich wohl auf die Haltung
Schuschniggs, der schon längst, nach der Wahrnehmung Egon Berger-Wal-
deneggs seit dem Frühjahr 1935, Vorbehalte gegen eine zu enge Anbindung
an Italien gezeigt hatte.810 Der ehemalige Außenminister führte dies auf den
wachsenden Einfluss seines von Schuschnigg berufenen Nachfolgers Guido
Schmidt811 zurück, für ihn ein „schlechter Charakter“812, der auch wesentli-
chen, in seinen Augen unrühmlichen Anteil am Zustandekommen des Ju-
liabkommens gehabt habe. Schuschnigg habe erklärt, dieses Abkommen
geschlossen zu haben, weil sich die italienische Politik weitgehend von Mit-
teleuropa distanziert habe.813 1942 stellte Schuschnigg in einem Brief an sei-
nen Bruder jegliche persönliche Nähe zu Guido Schmidt in Abrede.814
805 starhemberG, Memoiren, 242 f.
806 starhemberG, Memoiren, 222.
807 niGlia, Mussolini, 77 f.
808 CS 17. 1. 1937.
809 ara, Österreichpolitik, 120.
810 binder, Der „Christliche Ständestaat“, 22.
811 G. schmitZ, Giudo Schmidt, 207; vgl. auch rathKolb, Erste Republik, 506.
812 nautZ, Unterhändler, 173.
813 berGer-waldeneGG, Biographie, 412–416.
814 binder/H. schuschniGG, „Sofort vernichten“, 228–230.
3.5 DIE NACHBARSCHAFT DES FASCHISTISCHEN ITALIEN 137
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580