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Marsch auf Rom, die Zeit gekommen, den spektakulären Aktionen die The-
orie folgen zu lassen. In diesem Zusammenhang unterzog er die Lehre der
Volkswirtschaft an den italienischen Universitäten, die in der liberalen Tra-
dition stehe, harscher Kritik. Es gehe nicht an, den Studierenden zu ver-
mitteln, dass die Wirtschaft einzig nach Naturgesetzen ablaufe, vielmehr
müssten sie auf Eingriffe des Staates vorbereitet werden. Er forderte eine
theoretische Wirtschaftslehre, die ihren Ausgang nicht vom Individuum,
sondern von der Gemeinschaft nehme.884 Diese Gedanken wiederholte er
im Rahmen eines am 9. Juni 1933 vor der Confederazione Nazionale Fas-
cista del Commercio in Rom gehaltenen Vortrags.885 Noch weiter ging Rafael
Spann, der von einem „Kampf um die geistige Gleichschaltung in Italien“
sprach. Für das Land sei es unerlässlich, ein „arteigenes Geistesgut“ zu
bestimmen, wenn es mittelfristig nicht seinen liberalen Gegnern erliegen
wolle. So müsse beispielsweise für eine Umgestaltung des Lehrkörpers in
Universität und Schule gesorgt werden; gerade in den Geisteswissenschaf-
ten sei das Problem groß, hier sei die bloße Mitgliedschaft in der Partei zu
wenig.886
Mit Blick auf die Lebenswelt breiter Schichten forderte Willi Kadletz die
Abkehr vom elitären Kunstbegriff des Liberalismus. In der Opera Nazionale
Dopolavoro, über die man durch die italienische Handelskammer in Berlin
gut Bescheid wisse, sah er eine für die Umsetzung dieses Konzepts bestens
geeignete Struktur.887 Dieselbe Ansicht begegnet 1936 in der SZ: Ihr Lob des
Faschismus galt außer der Freizeitorganisation auch Mussolinis Bestreben,
nicht nur ein Regierungssystem, sondern auch eine geistige Bewegung zu
sein. Zwar beobachtete man im Stab um Josef Eberle das Verhältnis des
Duce zum Glauben und zur Kirche, insbesondere seinen Versuch, einen Re-
ligionsersatz zu schaffen, mit Sorge, stärker war aber die Akzentuierung je-
ner Komponenten der faschistischen Doktrin, die man teilen könne, etwa die
konservative Familienpolitik oder Ideale wie Liebe zum Vaterland und Op-
ferbereitschaft.888 Letztere sei auch das eigentliche Geheimnis der an spekta-
kulären Beispielen verdeutlichten faschistischen Wirtschaftspolitik.889
Im Dezember 1933, kurz vor der Errichtung der Korporationen, erschien
im CS ein wohlwollender Bericht über eine im November desselben Jahres
abgehaltene Tagung des Consiglio nazionale delle corporazioni. Mussolini
884 StL 1933, 10–13 (O. sPann).
885 StL 1933, 353 (O. sPann).
886 StL 1933, 285–287 (R. sPann).
887 StL 1933, 393–397 (W. KadletZ).
888 SZ 29. 3. 1936 (E. raitZ v. frentZ).
889 SZ 12. 12. 1938 (F. sturm). 3. DER POLITISCH-GEISTESGESCHICHTLICHE
RAHMEN150
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580