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der Staatslehre der Romantik mit Edmund Burke, Novalis und Adam Mül-
ler: Letzterer habe als erster neuzeitlicher Staatsdenker die Idee des Stän-
destaates vertreten.898 Am größten seien die Affinitäten bei Hegel.
Menzels Abhandlung endet mit zwei Anhängen. In Anlehnung an den
deutsch-schweizerischen Schriftsteller Emil Ludwig899, der Mussolini aller-
dings keineswegs unkritisch gegenüberstand900, verglich er auf immerhin
sieben Seiten zunächst Mussolini und Goethe (S. 122–128). In selektiver Vor-
gangsweise hob er als kennzeichnende Merkmale des Dichterfürsten Dyna-
mismus, Aktivismus und Polarität des Denkens und Fühlens hervor. Auch
die Ablehnung des Materialismus, das Ungenügen an der reinen Analyse
und die große Bedeutung, die er der intuitiven Erkenntnis sowie der Tra-
dition beimaß, waren für Menzel Parallelen zu Mussolini. Er operierte mit
aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten und referierte den Inhalt be-
rühmter Stellen: Im Kapitel Die Pädagogische Provinz im Wilhelm Meister
komme „eine Vorahnung des faschistischen Systems“ zum Ausdruck. Das
Buch endet mit einem kurzen Abschnitt Der Faschismus und die „Energeti-
sche Staatslehre“ (S. 129–132). Hier stellte Menzel eine juristische Methode
vor, in der er ein realistisches Korrektiv zur herrschenden abstrakten Vor-
gangsweise sah und die ihm als Gegengewicht zu Liberalismus und Marxis-
mus geeignet erschien. Durch Mussolinis Staat werde diese Lehre insofern
verkörpert, als dieser nicht Erzeugnis einer Theorie sei, sondern praktischer
Notwendigkeit entspringe. In permanentem Kräftefluss zwischen dem Staat
und dem Einzelnen würden die Leistungen der Individuen gesteigert und
Energien im Sinn einer Unterordnung unter die Staatszwecke ausgeglichen.
So befremdend manche Teile dieser umfangreichen Schrift anmuten: Nur
ein Jahr später erschien aus Menzels Feder in der MSchKP ein Aufsatz, der
in einem Bekenntnis zur Freiheit als Anerkennung von etwas über uns ste-
hendem, keineswegs mit dem Staat identischem Größeren mündete.901
Nicht vergessen sei schließlich, dass Alma Mahler-Werfel, deren Wiener
Salon in den dreißiger Jahren ein Treffpunkt von Prominenten aus Politik,
Kunst und Kirche war, Sympathien für den italienischen Faschismus zeig-
te.902 1935 erschien in der Zeitschrift Civiltá fascista ein Artikel des ehema-
ligen Bundeskanzlers Ernst Streeruwitz, in dem er das faschistische Italien
898 Eher revolutionäre Züge bei Müller orten hanisch/urbanitsch, Prägung, 66.
899 Vgl. Mussolinis Gespräche mit E. Ludwig, Berlin – Wien – Leipzig 1932; zu diesem Buch
und zu Ludwig selbst vgl. thöndl, Oswald Spengler, 118 f.
900 Erwähnt seien etwa seine Vorbehalte gegen die Überordnung des Staatsganzen über das
Individuum und gegen den Zynismus und die Rachsucht Mussolinis; GoetZ, Intellektuelle,
41 und 53.
901 MSchKP 1, 101–108 (A. menZel).
902 buchmayr, Der Priester, 76.
3.5 DIE NACHBARSCHAFT DES FASCHISTISCHEN ITALIEN 155
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580