Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Seite - 173 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 173 - in „Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit

Bild der Seite - 173 -

Bild der Seite - 173 - in „Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit

Text der Seite - 173 -

Merkls Kritik an der Vermengung von ständischer und staatlicher Ord- nung beruhte auf der gründlichen Kenntnis der einschlägigen päpstlichen Rundschreiben, von der er 1934 mit der Abhandlung Der staatsrechtliche Gehalt der Enzyklika Quadragesimo Anno Zeugnis gab. Im Gegensatz zu den Gestaltern der österreichischen Politik hatte er erkannt, dass Pius XI. ein jenseits der Tagesarbeit stehendes Programm vorgegeben hatte, das der to- talen Vereinnahmung des Menschen durch den Staat gegensteuern sollte.1080 Merkl las die Enzyklika indes nicht als Aufruf zu einem völligen Rückzug des Staates als Leitungsinstanz.1081 An weitere Grenzen des berufsständi- schen Gedankens stieß er bei der Einordnung und Abgrenzung der Berufe, insbesondere der geistigen1082, bei den Mehrfachzugehörigkeiten und bei der Situation der Familienangehörigen.1083 Im Verhältnis der Stände zueinan- der schwebe dem Papst eine Hierarchie vor; er warne vor einer einseitigen Überbewertung des Wirtschaftlichen auf Kosten des Geisteslebens.1084 Hin- sichtlich der Willensbildung innerhalb der Stände sei der plebiszitäre Weg gleichermaßen möglich wie der repräsentative.1085 1934 hatte Merkl im Aufsatz Individualismus und Universalismus als staatliche Baugesetze eine der Prämissen des ständischen Gedankens ver- tieft. Gegen ein undifferenziertes Verständnis von Universalismus plädierte er für eine über- oder außerstaatliche Form, die einem grundsätzlichen Indi- vidualismus nahe komme, für jenen „metaphysischen Universalismus“, der sich mit politischem nicht vertrage: ein weiteres Argument also für seine Vorbehalte gegen einen omnipotenten Staat. Hier liegt der Schlüssel zum Verständnis der begrifflichen Trennung von „ständisch“ und „totalitär“ in der 1936 erschienenen Abhandlung Die individuelle Freiheit im autoritären und ständischen Staat, in der das ständestaatliche Österreich insgesamt besser abschnitt als noch ein Jahr zuvor.1086 Während der berufsständische Staat Menschengruppen nach der sozialen Leistung organisiere und an der Staatswillensbildung beteilige, behandle der autoritäre Staat seine Bürger gleichsam als Objekte, nicht unähnlich den Untertanen des aufgeklärten Ab- solutismus. Dies habe zwar eine grundsätzliche Distanzierung der Führung von den Geführten zur Folge, sei aber nicht totalitär in dem Sinn, dass Staat und Gesellschaft zur Deckung gebracht würden. Das moderne Österreich verteidige das Sonderleben des Individuums und der Gesellschaft gegen ei- 1080 merKl, Der staatsrechtliche Gehalt, 208–212. 1081 merKl, Der staatsrechtliche Gehalt, 213–215. 1082 merKl, Der staatsrechtliche Gehalt, 216 f. 1083 merKl, Der staatsrechtliche Gehalt, 217–222. 1084 merKl, Der staatsrechtliche Gehalt, 223–225. 1085 merKl, Der staatsrechtliche Gehalt, 229. 1086 Vgl. buKoscheGG, Das ständisch-autoritäre Österreich, 7–9. 3.9 DIE MAIVERFASSUNG IN DER ANALySE KRITISCHER ZEITGENOSSEN 173
zurück zum  Buch „Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit"
„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Titel
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Untertitel
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Autor
Erika Kustatscher
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien - Köln - Weimar
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Abmessungen
17.4 x 24.6 cm
Seiten
682
Schlagwörter
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
„Berufsstand“ oder „Stand“?