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wurde1114, aber insgesamt bemühte er sich um positive Umschreibungen.1115
Deutlich unterstrich er die Rechtsstaatlichkeit im Sinn des Staatsgrundge-
setzes von 1867.1116 Kritisch äußerte er sich hingegen zu den Bestimmungen
über die berufsständische Organisation: Diese ließen es offen, ob der Prozess
von oben oder von unten beginnen müsse.1117
Ebenfalls 1935 zog Hans Bayer Zwischenbilanz über die Maiverfassung,
und zwar in Gestalt eines trockenen Kommentars, in dem vieles nach eher
unkritischer Rezeption offizieller Standpunkte klingt.1118 Für die Praktiker
als primäre Zielgruppe erhellend sind die Erläuterungen zum geplanten
ständischen Aufbau.1119 Bayer war aber auch der „schöngeistigen“ Sphäre
gegenüber offen, wie eine wohlwollende Rezension von Josef Freiherr von
Löwenthals Roman Die unsterbliche Stadt (Kap. 3.4) zeigt, die er 1936 ver-
fasste.1120
Kritischer beurteilte Eduard März das System, der, ebenfalls 1935, einen
Kommentar der Maiverfassung und zahlreicher bis Dezember 1934 erlas-
sener Gesetze vorlegte.1121 Die Arbeit vermittelt ein zwiespältiges Bild: Im
Vorwort und im Schlusswort entsteht ein geradezu verklärtes Bild des öster-
reichischen Modells gegenüber den in Italien und Deutschland entwickelten.
Die Ausführungen zu einzelnen Punkten sind aber kritisch bis ablehnend,
so dass der affirmative Rahmen die eigentliche Aussage zu tarnen scheint.
Die Vorbehalte bezogen sich auf den übermäßigen Einfluss der Regierung
bei der Besetzung der vorberatenden Organe und den darin sichtbaren Vor-
rang akademischer Eliten, auf die enge personelle Verflechtung der Staats-
organe1122, den überragenden Einfluss der VF1123, die eingeschränkte Freiheit
der Meinungsäußerung1124, die harten Maßnahmen gegen die Parteien, be-
sonders die Sozialdemokraten1125, und den „doch deutlich [...] antifeministi-
1114 froehlich, Die Verfassung 1934, 34; vgl. wiederin, Christliche Bundesstaatlichkeit, 32.
1115 froehlich, Die Verfassung 1934, 34 f.
1116 froehlich, Die Verfassung 1934, 53–58; kritisch binder/wohnout, Das autoritäre Regie-
rungssystem, 151; busshoff, Dollfuß-Regime, 208; schmit, Christliche Arbeiterbewe-
gung, 36; simonett, Die berufsständische Ordnung, 97 und 106; steiner, Wahre Demokra-
tie?, 155 und 158.
1117 froehlich, Die Verfassung 1934, 41.
1118 bayer, Der berufsständische Aufbau, bes. 3–6.
1119 bayer, Der berufsständische Aufbau, 13 und 28.
1120 MSchKP 1, 954 (H. bayer).
1121 märZ, Ständestaat.
1122 märZ, Ständestaat, 9–11.
1123 märZ, Ständestaat, 13 und 25 f.
1124 märZ, Ständestaat, 14.
1125 märZ, Ständestaat, 23–25.
3.9 DIE MAIVERFASSUNG IN DER ANALySE KRITISCHER ZEITGENOSSEN 177
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580