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schen Charakter“ des Systems.1126 Ins Grundsätzliche ging März, wo er das
zeittypische „Harmonieverlangen“ als unrealistisch entlarvte. Gerade in die-
sen Passagen trat der Sozialist in ihm hervor, der den Arbeitgebern zur Last
legte, sie würden die berufsständische Ordnung „als Mittel auffassen, der
Arbeiterschaft wieder verschiedene soziale Rechte zu nehmen“.1127 Weitere
Überlegungen galten dem ständischen Prinzip, das sich nicht, „wie dies bei
natürlichem Wachstum der Fall wäre“, von unten nach oben „selbsttätig“
entwickle, sondern „von oben nach unten durch gesetzmäßige Anordnungen
und Verwaltungsakte geschaffen“ werde.1128 Das neue System verlange „eine
innerliche Umstellung der Bevölkerung“, die sich nicht einfach verordnen
lasse.1129 So könne sich der autoritäre Staat nicht ausschließlich „auf das
geistige Mittel des Überzeugens“ verlassen, sondern brauche „große äußere
Machtmittel“.1130
Kein Gelehrter, sondern ein im Auftrag der politisch Verantwortlichen tä-
tiger und daher die offizielle Lesart übernehmender Autor war Georg Moth,
der 1935, einbegleitet von Walter Adam, auf über 150 Seiten der breiten
Masse das politische System zu erklären1131 und „Außenseiter zu einer bes-
seren Einsicht zu bekehren“ versuchte.1132 Dem italienischen Faschismus
gewann er gegenüber dem Nationalsozialismus positive Aspekte ab, insbe-
sondere das Verhältnis zur Religion; in Letzterem lebe „slawisches“ Preu-
ßentum weiter.1133 Zu den möglichen Einflüssen des Faschismus auf Öster-
reich äußerte er sich verhaltener als andere Autoren: Er begnügte sich mit
der Feststellung, Mussolinis Staat habe nicht auf Dauer ein totaler Staat
bleiben wollen; auch die politischen Systeme in Spanien und Portugal wur-
den kurz erwähnt.1134
Auf ähnlich bescheidenem Niveau und in naiv-superlativischer Sprache
behandelte Leo M. Trapp die Thematik, der 1935 mit einer einschlägigen
Broschüre an die Öffentlichkeit trat.1135
Ein Befürworter der berufsständischen Ordnung, allerdings ein Kritiker
der kapitalistischen Prägung der österreichischen Wirtschaft war Franz Wa-
schnig, der 1936 mit Bedauern feststellte, „dass keineswegs in allen Kreisen
1126 märZ, Ständestaat, 16.
1127 märZ, Ständestaat, 7; vgl. auch ebd., 17 f. und 30.
1128 märZ, Ständestaat, 26–28
1129 märZ, Ständestaat, 30.
1130 märZ, Ständestaat, 17.
1131 moth, Neu-Österreich, bes. 39–43, 53–58, 63–81, 98–100 und 106–127.
1132 moth, Neu-Österreich, 5 f.
1133 moth, Neu-Österreich, 32 f.
1134 moth, Neu-Österreich, 91.
1135 traPP, Die berufsständische Ordnung.
3. DER POLITISCH-GEISTESGESCHICHTLICHE
RAHMEN178
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580