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Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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Angesichts derartiger Erfahrungen und unter dem Eindruck von Repa- rationszahlungen und Weltwirtschaftskrise wurde, und zwar auf breiter gesellschaftlicher Basis, heftige Kritik am westlichen Parlamentarismus laut; er wurde mit der Französischen Revolution assoziiert und bekam somit etwas Anrüchiges.154 Sowohl in Kreisen von Politikern und Intellektuellen, einschließlich des katholischen Episkopats, als auch in den bäuerlichen und kleinbürgerlichen Schichten Österreichs sank die Zustimmung zu der von Parteien getragenen Demokratie stetig155; viele erwarteten eine Lösung der Probleme „von oben“.156 Im NR erhielt Houston Stewart Chamberlain Raum für ausführliche Beiträge über die vermeintlich fundamentalen strukturel- len Mängel der Demokratie in Frankreich, Großbritannien und den USA.157 Bei den katholischen Eliten stieß besonders die Führerauslese auf Kritik.158 Als Ausnahme hat im konservativen Österreich der Zwischenkriegszeit Ernst Karl Winter zu gelten, der auch in der westeuropäischen Demokratie christliche Prinzipien verwirklicht sah.159 Verteidigt wurde das parlamenta- rische System auch von den Sozialdemokraten.160 Ignaz Seipels Haltung zur parlamentarischen Demokratie wandelte sich unter dem Eindruck seiner politischen Alltagserfahrungen. An dieser Stelle kurz darauf einzugehen, ist deshalb sinnvoll, weil sein Fall wohl repräsen- tativ für viele Zeitgenossen ist. Vor allem anderen gilt es zu beachten, dass seine politische Sozialisation in der Monarchie erfolgt war, in einer Zeit also, in der die Parteien lediglich randständige Bedeutung hatten.161 1918 sprach er sich zwar für die Demokratie aus, in den zwanziger Jahren wuchsen aber seine Vorbehalte.162 1923 erklärte er in einem Vortrag zum Thema Staat und Gesellschaft, die Parteien verträten nicht die Interessen der Gesamt- heit.163 1924/25 benannte er zwar die Schwachstellen des Parlamentarismus, sprach sich aber nicht grundsätzlich gegen diesen aus.164 1926 appellierte er an die in den Parteien realisierte Gemeinschaft der Ideen des ganzen Volks; 154 mommsen, Theorie, 175 f. 155 brucKmüller, Sozialgeschichte, 411; busshoff, Dollfuß-Regime, 187 f.; KluGe, Ständestaat, 46–50; schmit, „Im Namen“, 153; wiltscheGG, Heimwehr, 21 f.; wohnout, Verfassungsthe- orie, 62. 156 hanisch, Der lange Schatten, 302 f. 157 NR 11. 7. 1920, 18. 7. 1920, 25. 7. 1920; 27. 3. 1921 (H. St. chamberlain). 158 stimmer, Eliten, 526–528. 159 heinZ, E. K. Winter, 262 f. 160 busshoff, Dollfuß-Regime, 11; mommsen, Theorie, 177 f. 161 KluGe, Ständestaat, 53 f. 162 reiter-ZatlouKal, Parlamentarismus, 36–39. 163 boyer, Wiener Konservativismus, 353; derselbe Vorwurf stand in der Weimarer Republik im Raum; merGel, Parlamentarische Kultur, 400–404. 164 rennhofer, Ignaz Seipel, 423. 4.2 KRITIK AN DER PARLAMENTARISCHEN DEMOKRATIE 195
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Titel
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Untertitel
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Autor
Erika Kustatscher
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien - Köln - Weimar
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Abmessungen
17.4 x 24.6 cm
Seiten
682
Schlagwörter
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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