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mit Wortgewandtheit verwechselt“ worden204 – ein auch in der Weimarer Re-
publik angemahnter Missstand.205
Leopold von Andrian, Vordenker des Ständegedankens auf der philoso-
phischen Ebene (Kap. 5.3), beschrieb in seinen 1920 verfassten Politische(n)
Adventsgedanken über das alte und neue Europa als großen Nachteil der De-
mokratie den „Kultus der Inkompetenz“.206 1926 sprach er in einem Schrei-
ben an Friedrich Funder zudem von der niedrigen „politischen Moral der
dem Kleinbürgerthum entstammenden Berufspolitikerkaste“, der die Vorbe-
reitung zum Regieren fehle und die durch „Tactlosigkeiten und Würdelosig-
keiten“ bzw. „Geschmackssünden“ auffalle.207 Gleichmacherei wertete er als
Zeichen des Kulturverfalls.208
Hans Karl Zeßner-Spitzenberg hatte tief sitzende Zweifel an der „politi-
sche(n) Reife der Parteipolitiker“209, Lois Weinberger hielt diese nicht für ge-
eignet, junge, idealistische Menschen zu begeistern.210 Ähnliche Argumente
brachten Eduard Ludwig211, Walter Adam 212 und Eduard von Baar-Baaren-
fels213 vor. Nach Friedrich Funder hätten nicht immer „vertrauenswürdige
Kenner“ in die Parlamente Eingang gefunden.214
Johann Blöchl vermisste bei manchen Volksvertretern den Sinn für
Rechte und Pflichten215, nach konservativer Staatstheorie die höchste Legi-
timation für Herrschaft.216 Carl Vaugoin betonte „das Krankhafte am Parla-
mentarismus“217; die Verfassungsreform, erklärte er 1933, „kann erst dann
gemacht werden, wenn der Staat wieder in der Lage ist, ein Parlament zu er-
tragen. Das kann noch einige Zeit dauern.“218. Odo Neustädter-Stürmer war
der Meinung: „90 Prozent der Dinge gehören nicht mehr ins Parlament.“219
Im NR war schon 1920 die Forderung laut geworden, bei Wahlen da-
rauf zu achten, ob sich ein Kandidat in früheren Legislaturperioden be-
204 KlotZ, Sturm, 50 f.
205 merGel, Parlamentarische Kultur, 374 f.
206 Prutsch/ZeyrinGer, Leopold von Andrian, 520.
207 Prutsch/ZeyrinGer, Leopold von Andrian, 548 f.; zu den Folgen Paxton, Anatomie, 72 f.
208 schumacher, Leopold Andrian, 111.
209 H. K. Zeßner-sPitZenberG, Kaiser Karl, 175.
210 weinberGer, Tatsachen, 88.
211 ludwiG, Österreichs Sendung, 43.
212 adam, Die neue Taktik, 29 f.
213 Anita KorP, Der Aufstieg, 52.
214 funder, Aufbruch, 91.
215 blöchl, Lebenserinnerungen, 75 und 95.
216 hanisch, Konservatives und revolutionäres Denken, 247.
217 wohnout, Verfassungstheorie, 77.
218 wohnout, Verfassungstheorie, 88.
219 Zit. nach wohnout, Verfassungstheorie, 81.
4.2 KRITIK AN DER PARLAMENTARISCHEN DEMOKRATIE 199
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580