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klang mit Othmar Spann, der es als „gleiches Recht“ beschrieb, für ihn „ein
unnatürliches, künstliches, verderbliches, atomistisches, wahrheitswidriges,
ungerechtes Recht“, nicht als das „Recht der natürlichen Gerechtigkeit“.204
Auch Bundespräsident Miklas war ein Verfechter dieser Auffassung.205 Kurt
Schuschnigg beschäftigte sich damit eingehend während seiner Zeit in nati-
onalsozialistischer Haft anhand der Lektüre von Werken von Heinrich Rom-
men und Ferdinand Frodl.206
Während die Neuscholastik kaum unmittelbaren Zugang zur berufsstän-
dischen Idee hatte207, übertrug Friedrich von Weichs ihre Gedanken auf
den geplanten Gesellschaftsaufbau, der „auf dem Boden des Naturrechts“
erfolgen müsse.208 Für Georg Moth war dieses die Grundlage des christli-
chen Kulturgedankens, weswegen er eine entsprechende Umgestaltung
der Rechtsordnung forderte.209 Konstantin von Hohenlohe bemühte das Na-
turrecht als Aspekt jener philosophia perennis, in deren Bereich der ihm
vorschwebende Ständestaat gehöre210, im Sinn des Moraltheologen Peter
Tischleder, dem zufolge sich der Staatszweck nicht mit plattem Utilitaris-
mus bestimmen lasse.211
Oswald von Nell-Breuning forderte die Liebe als leitenden Gesichtspunkt
auch in der Wirtschaft, wo nicht nur Vernunft und Ordnung herrschen dürf-
ten. Dieser ebenfalls naturrechtliche Ansatz sei schon deshalb unverzicht-
bar, weil die ausschließliche Geltung von Rechtspflichten einen Nachweis
von Ansprüchen erfordern würde, wie er in der Praxis nicht leistbar sei. Wo
es nicht um öffentliches Interesse, sondern um individuelle Not gehe, könne
der Staat nicht eingreifen; auch sei eine lückenlose gesetzliche Abdeckung
aller Bereiche nicht möglich. Daher bleibe nur der Appell an das natürliche
Rechtsempfinden, das vom positiven Recht zu scheiden sei.212 Oskar Meis-
ter sprach vom „sozialen Recht“; das Arbeitsrecht im Wortsinn sei für viele
lediglich Ansporn zu sozialem Schmarotzertum: Gerechtigkeit könne nicht
allein durch Gesetze geschaffen werden, es brauche sozialen Sinn.213
203 beyer, Ständeideologien, 137 f.
204 sPann, Wahrer Staat, 64.
205 lanG, Bundespräsident Miklas, 81.
206 binder/H. schuschniGG, „Sofort vernichten“, 359.
207 anZenbacher, Christliche Sozialethik, 135.
208 v. weichs, Der Weg, 13.
209 moth, Neu-Österreich, 46.
210 hohenlohe, Ständestaat, 9 f.
211 otten, Die „Rettung“, 98.
212 SZ 12. 6. 1927 (O. v. nell-breuninG).
213 SZ 6. 5. 1928 (O. meister).
5.4 LEBEN UND GEIST 231
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580