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Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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hohen Stellenwert einräumte, betonte er in seinem philosophischen Gesamt- entwurf ausdrücklich den Vorrang des Geistes.270 Guido Zernatto war der Gedanke wichtig, dass die Seele des Menschen viel mehr sei als eine bloße „Funktion des Körpers“271 oder „ein rein na- turwissenschaftliches Phänomen“.272 Für Friedrich von Weichs war es das Kennzeichnen einer „vergangenen edleren Zeit“, dass der Geist auch im Be- reich gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Ordnungen „über die ohnmäch- tige Stofflichkeit“ gesiegt habe.273 Mit dieser Überzeugung nahm er eine Erkenntnis moderner Soziologie vorweg, der zufolge für die zunehmende Ge- schlossenheit der Oberschichten in der Neuzeit Disziplinierung und Selbst- kontrolle maßgeblich gewesen seien, Eigenschaften, die auch das Distinkti- onsmerkmal gegenüber den unteren Ständen bildeten.274 Auf ähnlichem weltanschaulichen Substrat entwickelte Franz Brandl seine politischen Überzeugungen: „Wehe den Regierenden, die sich von den Leidenschaften der Regierten beherrschen lassen, wehe den Regierten, die sich von der Leidenschaft ihrer Führer verblenden lassen.“275 Im österrei- chischen Ständestaat, so Paul Thun-Hohenstein, habe diese Gefahr aber nicht bestanden, denn nach den unheilvollen Auswirkungen des Nationalitä- tenkampfs im 19. Jahrhundert, die der Humanität abträglich gewesen seien, rage Österreich nunmehr (sc. 1937, E. K.) „als eine Insel der europäischen Kultur aus dem Meer der entfesselten politischen Leidenschaften“.276 Für eine in noch höherem Grad ein Gegenbild zum Geist darstellende Form der Übermacht des Biologischen steht Franz Georg Strafellas277 Ab- handlung Der sozial Primitive, die auf Theorien des italienischen Arztes Ce- sare Lombroso Bezug nahm.278 Diesem zufolge gebe es den Typus des ange- borenen Verbrechers, der zwischen dem Geisteskranken und dem Primitiven stehe. Nicht die Tat an sich sei somit Gegenstand des Strafrechts, sondern der Täter. Mit derlei extremen Ansichten weit jenseits des weltanschau- lich-ethischen Horizonts der Mehrzahl der Mandatare des Ständestaates 270 becher, Der Blick, 124; Jütte, Zwischen Ständestaat und Austrofaschismus, 261; sieGfried, Universalismus, 210. 271 Zernatto, Vom Wesen, 152. 272 Zernatto, Vom Wesen, 118. 273 v. weichs, Der Weg, 5. 274 schwinn, Ständische Verhältnisse, 80 f. 275 brandl, Ein Reich, 156. 276 thun-hohenstein, Österreichische Lebensform, 22 f. 277 Bekannter ist der Autor durch die Verwicklung in die sogenannte Phönix-Affäre, einen spektakulären Korruptionsfall im Versicherungsbereich; vgl. acKerl, Phönix-Skandal, pas- sim; Anita KorP, Der Aufstieg, 104. 278 Zum Kontext vgl. Payne, Geschichte, 42. 5. DER MENSCH IST PERSON238
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Titel
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Untertitel
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Autor
Erika Kustatscher
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien - Köln - Weimar
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Abmessungen
17.4 x 24.6 cm
Seiten
682
Schlagwörter
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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