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dem höchsten Grad der Persönlichkeit erreichbar sei. Am unteren Ende der
Skala siedelte er den Verbrecher an.285
Die Persönlichkeit stelle sich nur in ihren Gliedern dar. Jedes Glied sei
durch das Ganze bestimmt und zerlege sich in weiterer Ausgliederung; so
werde auch das Wesen der Persönlichkeit erkannt. Unter deren Teilstruk-
turen gebe es eine Rangordnung; manche könnten gegenüber anderen vor-
herrschend sein. Beim einen stehe das vegetative Leben, beim anderen
das geistige Leben obenan. In ihrem Verhältnis zum Ganzen hätten jedes
körperliche Organ und jede seelische Struktur einen verschiedenen Rang.
Daher sei die Ausbildung einer Mitte der Persönlichkeit wesentlich; dieser
wiederum unterlägen mehrere Neigungen. Jedes Glied des körperlichen Or-
ganismus und jede Funktion der seelischen Ganzheit sei durch Mittelglieder
mit dem Ganzen verbunden. Jedes Mittelglied stehe im Verhältnis der Füh-
rung gegenüber dem untergeordneten und in dem der Nachfolge gegenüber
dem übergeordneten.286
Die Vorbehalte des Strafrechtlers gegen einseitige Überbewertung des
Biologischen sind nicht zu übersehen. Er teilte sie mit anderen Denkern, die
die Bekämpfung von Trieben im weitesten Sinn forderten.287 Leopold Engel-
hart, der erste Generalsekretär der KA288, erklärte die Fähigkeit, die „un-
heimlichen Mächte der Seele“ zu bannen289, zum entscheidenden Kriterium,
das einen „Führer“ ausmache.290 Eine Parallele dazu ist Othmar Spanns
Einschätzung, der Großteil der Menschen führe ein weitgehend triebhaftes
Leben: Soldaten, Fabrikarbeiter, Handwerker, auch Bauern – und nicht zu-
letzt die Parvenüs des liberal-individualistischen Zeitalters, der „Pöbel im
Seidenhut“. Der Wiener Philosoph leitete daraus die Forderung nach Unter-
ordnung des geistig Niederen unter das geistig Höhere ab291; er bedauerte es,
in einer hedonistischen Erlebnisgesellschaft leben zu müssen, die geistiger
Autorität im Wege steht.292 Hermann Peichl sah die Heiligung des Sonntags
gefährdet, weil das Vergnügen an die Stelle der Ruhe dringe.293
Der Hang seiner Zeit zu oberflächlichem Vergnügen störte auch Richard
Kerschagl: Als Finanzwissenschafter forderte er daher Reformen bei Auf-
wandssteuern, beispielsweise bei der Lustbarkeitsabgabe und der Zech-
285 lenZ, Grundriss, 36.
286 lenZ, Grundriss, 54–59.
287 hanisch, Konservatives und revolutionäres Denken, 25.
288 liebmann, Katholische Aktion, 608 und 613.
289 enGelhart, Führertum, 46.
290 enGelhart, Führertum, 95.
291 meyer, Stand, 196; rossbacher, Literatur, 97 f.
292 LK, 43 (F. romiG).
293 Peichl, Der Altar, 136. 5. DER MENSCH IST
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580