Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Seite - 243 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 243 - in „Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit

Bild der Seite - 243 -

Bild der Seite - 243 - in „Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit

Text der Seite - 243 -

des Österreichers“, der seinem Wesen nach ein Denker sei.311 Mit diesem Gedanken verwandt ist Skepsis gegen die Mathematisierbarkeit aller Ver- hältnisse des Daseins und gegen strenge Erfahrungswissenschaft.312 Für Friedrich Funder liege einer solchen „kahle Intelligenz“ – so zitierte er aus 1933 geäußerten Gedanken Oswald Spenglers – zugrunde, ein „Geist ohne Blut, der alles kritisch zernagt“ (allerdings der „Geist des Tages“313), für Her- bert Stourzh das, was „Halbgebildete“314 kennzeichne. Dem Historiker Franz Kolb bescheinigte ein an strengen Regeln der Kunst orientierter Biograph, dass er trotz professioneller Methodik nicht nur „mit kaltem Verstand“ gear- beitet habe.315 Friedrich Schiller hätte einen solchen Menschen als „Brotgelehrten“ be- zeichnet. Der Dichter, der auch als Historiker hervorgetreten war, wurde 1905, hundert Jahre nach seinem Tod, zum Gegenstand eines Vortrags von Oswald Redlich in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Thema war die Jenaer Antrittsvorlesung als Auseinandersetzung mit der rein verstandesmäßigen Aufklärung einerseits und der erwachenden gene- tischen Denkweise andererseits. Nicht nur an äußeren Fakten, sondern an deren geistigen Hintergründen interessiert, lobte Redlich Schillers klassi- sche Dramen als Vollendung von dessen historischer Arbeit: Sie seien nicht dramatisierte Geschichte, sondern historische Wahrheit, die sich als eine „innere“ konkretisiere.316 In ähnlicher Weise äußerte sich dieser professi- onelle Vertreter der Zunft Jahre später über Franz Grillparzer, der man- ches Ergebnis „harter“ Wissenschaft intuitiv vorweg genommen habe: „Er hat geschaut, was die Historiker erst nach ihm erforscht haben.“317 Im König Ottokar und im Bruderzwist habe er bewiesen, dass Historiographie und Dichtung keineswegs unversöhnliche Gegensätze seien. Auch der Historiker brauche – über das kritische Instrumentarium hinaus – Kenntnis der Men- schen, ihrer Seele, ihrer Leidenschaften, der Bedingtheit des menschlichen Wesens durch die Natur. 1901 zitierte er Grillparzer mit dem Satz: „Der Ge- schichtsschreiber weiß wenig, der Dichter aber muss alles wissen.“318 Andere Denker hoben den Wert der geistigen Arbeit im Allgemeinen her- 311 thun-hohenstein, Österreichische Lebensform, 42. 312 becher, Der Blick, 115; Kaltenbrunner, Europa, 386; resele, Ständestaatskonzeption, 12 f. 313 funder, Vom Gestern, 169. 314 Diesen Begriff verwendete Herbert Stourzh in seiner faschismuskritischen Haltung; H. stourZh, Gegen den Strom, passim. 315 Kramer, Franz Kolb, 575. 316 santifaller, Oswald Redlich, 164–167. 317 redlich, Grillparzer, 39. 318 Zit. nach santifaller, Oswald Redlich, 166. 5.4 LEBEN UND GEIST 243
zurück zum  Buch „Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit"
„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Titel
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Untertitel
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Autor
Erika Kustatscher
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien - Köln - Weimar
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Abmessungen
17.4 x 24.6 cm
Seiten
682
Schlagwörter
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
„Berufsstand“ oder „Stand“?