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Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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Stelle werde „so eine Art von geistigem Hauptfeldwebel“ treten.351 Von Men- schen mit diktatorischem Tonfall ließ sich der Kanzler leicht verunsichern; ihrer charakterlichen Niedrigkeit stand er wehrlos gegenüber.352 Den Um- gang mit den Massen beherrschte er folglich nicht gut353, viel weniger jeden- falls als sein intellektuell ihm keineswegs ebenbürtiger Vorgänger Engelbert Dollfuß.354 Ähnliches gilt für jene Konservativen, die sich 1933, als Hitler Reichskanzler wurde, der Illusion hingaben, ihre akademische Bildung und die Erfahrung würden ihnen Überlegenheit über die ungehobelten Nazis verleihen.355 Bei Schuschnigg dürfte dieser Wesenszug den Ausgang des Ge- sprächs mit Hitler am 12. Februar 1938 entscheidend beeinflusst haben.356 Der Kanzler hatte bis zuletzt an das Juliabkommen geglaubt und war in der Meinung nach Berchtesgaden gefahren, ein Gespräch unter Gentlemen führen zu können357 – so wie er 1936 den Standpunkt vertreten hatte, die Nationalsozialisten würden „geistigen Argumenten gegenüber [...] ihre terro- ristischen Drohungen aufgeben“.358 Einige Tage nach dem Gespräch schrieb der österreichische Diplomat Karl Emil von Fürstenberg an Leopold von Andrian, der Kanzler wäre in eine Gangsterhöhle gelockt und von Gangstern nach ihrer Art behandelt worden.359 Ernst Karl Winter war überzeugt, an diesem Tag habe Schuschnigg das Gefühl gehabt, in Hitler „ein wildes Tier“ vor sich zu haben, das nicht gereizt werden dürfe. Der Soziologe konnte dies nachvollziehen, aber er warf Schuschnigg vor, kapituliert anstatt dem Geg- ner in die Augen geschaut zu haben.360 Ihm dies als „Schwäche“ anzulasten361, griffe gleichwohl zu kurz. Auch im Fall des Heimwehrführers Ernst Rüdiger Starhemberg war Schuschniggs hohes intellektuelles und menschliches Niveau der Kommunikation eher 351 binder/H. schuschniGG, „Sofort vernichten“, 225. 352 hoPfGartner, Schuschnigg, 171. 353 wandrusZKa, Struktur, 344 f. 354 GoldinGer, Schuschnigg, 221. 355 Paxton, Anatomie, 189. 356 Das Gespräch sei „zeitweise im Brüllton“ geführt worden; weinZierl, Zeitgeschichte, 234; vgl. auch charmatZ, Vom Kaiserreich, 218; GoldinGer, Schuschnigg, 228; GoldinGer/bin- der, Geschichte, 275; hoPfGartner, Schuschnigg, 84 und 201; simon, Die verirrte Erste Re- publik,122. 357 Potočnik, Bewusstsein, 225. 358 starhemberG, Memoiren, 25. 359 Prutsch/ZeyrinGer, Leopold von Andrian, 686. 360 heinZ, E. K. Winter, 359 f.; die internationale Forschung beschreibt die Situation so: „Hitler terrorized Schuschnigg […].“ Und: „Schuschnigg left Berchtesgaden broken and cowed.“ beller, A Concise History, 229. 361 wiPPermann, Faschismus, 77. 5.4 LEBEN UND GEIST 247
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Titel
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Untertitel
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Autor
Erika Kustatscher
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien - Köln - Weimar
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Abmessungen
17.4 x 24.6 cm
Seiten
682
Schlagwörter
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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