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Schülers auf das Ganze der Natur und des Geisteslebens und auf die viel-
fachen Zusammenhänge der einzelnen Teile zu lenken.393 Besondere Bedeu-
tung bescheinigte er der „Vaterlandskunde“.394
Das Ministerium gab Meisters Gesuch zunächst nicht statt. Persönlich
gestärkt durch Rufe ausländischer Universitäten, zog er es zurück. Als er
den Lehrstuhl für Pädagogik 1923 dann doch erhielt, vertrat er das Fach in
seiner ganzen Breite.395 Auch als er, 1938 von den nationalsozialistischen
Machthabern wieder auf die Philologie verwiesen, 1945 mit 64 Jahren auf
die Lehrkanzel für Pädagogik zurückkehrte, hielt er daran fest, diese Wis-
senschaft in engster Verbindung mit Ethik, Kulturphilosophie und Psycho-
logie zu vertreten und nicht die raschen Lösungen des Schulalltags gutzu-
heißen; es gelang ihm, seine Venia auf die Kulturphilosophie auszuweiten.396
Um soziale Gerechtigkeit bemüht, trat Meister in dieser Zeit verstärkten
Zustroms auf die verschiedenen Bildungseinrichtungen397 unermüdlich für
das Leistungsprinzip in den Mittelschulen ein, wobei er glaubte, Begabungs-
diagnosen wären schon früh möglich. Den begabtesten Schülern müsse ein
angemessener Einsatz ihrer Kräfte auferlegt werden. Einen hohen Stellen-
wert maß er den Fremdsprachen bei; später müsse das Potential der Schüler
für höhere Allgemeinbildung beansprucht werden.398 Da er die Entstehung
eines „gebildeten Proletariats“ verhindern wollte399, forderte er ein hoch-
differenziertes Schulsystem mit strenger Auslese400, weil andernfalls ein
Leistungsabfall eintreten würde. In seiner grundlegenden Arbeit von 1920
warnte er davor, unzureichend Gebildeten den Zugang zur Hochschule zu
öffnen: Die Schule könne nicht die Aufgabe gesellschaftlicher Neustruktu-
rierung haben.401 Im Sinn der von der CSP schon lange betriebenen Schulpo-
litik402 führte er zur Begründung an: „Die Angleichung der Bildung an sich
ist aber durchaus noch kein Wert; sie wäre sogar etwas höchst Bedenkli-
ches, wenn sie dazu führte, dass begabte junge Menschen länger als es ihrer
393 wallraf, Kultur, 208 f., zu weiteren Fächern vgl. laaber, Schulsystem, 33 f.
394 erben, Schule, 54 und 89; Grafeneder, Arbeiterfamilie, 88 f.; laaber, Schulsystem, 31 f.;
suPPanZ, Österreichische Geschichtsbilder, 133 f.; ähnliche Gedanken äußerte Johannes
Messner; MSchKP 2, 833 f.
395 Er wurde auch Sachverständiger der Universitätsgremien für Schul- und Hochschulfragen
und Berater des Unterrichtsministeriums; breZinKa, Pädagogik, 376–380.
396 breZinKa, Pädagogik, 425–427.
397 erben, Schule, 111.
398 breZinKa, Pädagogik, 374.
399 erben, Schule, 80 f.
400 Grimm, Schulpolitik, 300.
401 wallraf, Kultur, 156–159; vgl. rettenbacher, Bekenntnisfreiheit, 149; zum Anforderungs-
profil der Mittelschulen vgl. laaber, Schulsystem, 23 f.
402 schretter, Das ideologische Nahverhältnis, 62 f.; sorGo, Schulpolitik, 18–22.
5.4 LEBEN UND GEIST 251
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580