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nies definierten Verständnis von Gemeinschaft verpflichtet; auch an Emile
Durkheims Unterscheidung zwischen organischer und mechanischer So-
lidarität fühlt man sich erinnert.467 Wie Spann verstand er Soziologie als
Geisteswissenschaft, und wie Helmut Schelsky und Friedrich Tenbruck
degradierte er sie nicht zu empirischer Feldforschung oder zur Frage-
bogenwissenschaft.468 Ausgehend von seiner Sicht der Gesellschaft als ei-
ner Vielheit von Seinseinheiten, setzte er den Willen des Menschen voraus,
die eigene erkenntnismäßige Vielheit (Dreierordnung) mit der Vielheit der
menschlichen Personen zu einer Einheit zu bringen. Die hierbei möglichen
Muster seien die von Einordnung, Unterordnung/Gehorsam und Überord-
nung/Befehlsrecht. Jede Person trete jeweils nur mit einer bestimmten
Anzahl oder Auswahl von Personen in wahrnehmbare Beziehung: Diese
seien Gesellschaften im engeren Sinn wie Ehe, Familie, Freundschaft,
Nachbarschaft, wirtschaftliche und politische Gesellschaft. Beziehung zu
anderen bedeute, diesen das eigene Lebewesen zur Verfügung zu stellen
zur Verwirklichung ihrer eigenen Person.469 Personal werde eine Bindung
dann, wenn sie im Rahmen der Seinsordnung erkannt und gewollt sei, also
benutzt werde, um personales Wirken zu erleichtern.470 Das schöne Wort
„Bindung“ als Gegenbegriff zu individualistischer Freiheit – und nicht das
künstlich anmutende „Bündnis“ – verwendete auch Ulrich Ilg.471 Walter
Adam gab ihm die Bedeutung „gegenseitige Verpflichtungen“ und grenzte
es von „mechanische(r) Zusammenarbeit“ ab.472
Der CS setzte die Person gemäß dem Bibelwort „Wo zwei in meinem Na-
men versammelt sind, [...]“ zur Gemeinschaft in Beziehung.473 Der größte
und bedeutendste Teil der personalen Erlebnisse, wie Liebe, Verehrung,
Achtung, Verachtung, Hass, Neid, Mitleid etc., so Dietrich von Hildebrand,
gelte anderen Personen474, aber er warnte: Jeder Versuch, die Gemeinschaft
auf Kosten der individuellen Person zu erheben, sei nicht nur falsch, sondern
verkenne das wahre Wesen der Gemeinschaft.475 Diese besitze ein inneres
Einheitsprinzip, das sie forme und von der ungeordneten, zufällig zusam-
mengesetzten Masse unterscheide. Sie schaffe einen Raum, der die Einsicht
467 Konzise Zusammenfassung von Tönnies’ Konzept bei becKers, Integrationspotentiale, 22–
33; zur längerfristigen Bedeutung vgl. auch Paxton, Anatomie, 58.
468 becher, Der Blick, 113 f.
469 K. luGmayer, Philosophie, 95–99.
470 K. luGmayer, Philosophie, 104.
471 ilG, Uns alle, 8.
472 adam, Staatsprogramm, 68.
473 ebneth, Wochenschrift, 144 f.
474 v. hildebrand, Memoiren, 256.
475 v. hildebrand, Memoiren, 11. 5. DER MENSCH IST
PERSON258
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580