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Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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Der Wert der Tradition und der „Modernitätsschock“ Selbstredend galt auch der Tradition großer Respekt – umso mehr, als man diesen Wert in Gefahr wähnte. Gemäß dem Verständnis von Karl Jaspers („Wir sind Mensch nicht durch Vererbung, sondern erst durch den Gehalt einer Tradition.“584) wurde sie als eigentliche Voraussetzung für menschliche Sozialisation und als Wesensmerkmal der Kultur gehandelt. Hans-Georg Gadamer deutete Tradition als eine Form von Autorität.585 Oswald Spengler verschrieb sich einer breit angelegten, ins 18. Jahrhun- dert zurückreichenden Zivilisationskritik586 und bedauerte den Verlust der „Ehrfurcht vor dem Überlieferten und Gewachsenen“.587 In seinem 1924– 1936 entstandenen Buch Der Mensch und die Technik vertrat er den Stand- punkt, dass der Höhepunkt der technischen Entwicklung nunmehr erreicht sei; gehe dieser Prozess noch weiter, steuere die westliche Kultur einer „Tra- gödie“ zu.588 Die pejorative Konnotation des Wortes „Zivilisation“ leitete er aus der Tatsache ab, dass die dadurch bezeichneten Inhalte von breiten, von unten emporstrebenden Schichten kämen, die auf nichts anderes als auf Erfolg, Prestige und Ansehen bedacht seien.589 Karl Mannheim begründete seine Vorbehalte gegen das naturwissenschaftlich-exakte Denken damit, dass dieses vom sozialen Körper abgelöst sei und, anders als das historische, nur seiner eigenen Dynamik folge.590 Nur wenige Jahre später hatten sich ähnliche Einsichten auch in der völlig anderen Denktradition der Frankfur- ter Schule durchgesetzt.591 Kaum überraschend sind sie hingegen aus dem Munde von Rudolf Henz: Er ortete die „Fortschrittsfanatiker“ insbesondere in den Reihen der Sozialdemokraten, die schon vor dem Ersten Weltkrieg „die Hochschulen und noch mehr die Volkshochschulen beherrschten“.592 Den Fortschritt selbst nannte der Dichter einen „Mythos“; die „Zivilisa- tionsfanatiker“, die sich für „mechanisiertes Denken“ begeisterten, bereite- ten ihm Unbehagen.593 Gleich Ernst Wiechert, dem Verfasser des von aris- tokratischem Geist durchdrungenen Romans Das einfache Leben (1939)594, 584 Zit. nach LK, 567 (K. motschmann). 585 Gadamer, Hermeneutik I, 285. 586 boterman, Oswald Spengler, 140–148. 587 Zit. nach boterman, Oswald Spengler, 166 f. 588 boterman, Oswald Spengler, 351–356. 589 boterman, Oswald Spengler, 149, 590 mannheim, Konservatismus, 66 f. 591 horKheimer/adorno, Dialektik, 3. 592 henZ, Fügung, 28; vgl. vocelKa, Geschichte, 279–282. 593 henZ, Mysterium, 215 f. 594 Zu möglichen Bezügen auf deutsche Ansprüche auf den im Zweiten Weltkrieg umkämpften 5.6 KULTIVIERUNG PERSONALER WERTE 271
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Titel
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Untertitel
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Autor
Erika Kustatscher
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien - Köln - Weimar
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Abmessungen
17.4 x 24.6 cm
Seiten
682
Schlagwörter
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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