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auf dieselbe, daher gebe es kein Recht auf Revolution. Im Fall von Macht-
missbrauch müsse mit Blick auf das Gemeinwohl selbst einem Usurpator
Gehorsam geleistet werden, Ziel bleibe aber die Verteidigung des legitimen
Herrschers.764
Explizit wurden die Berührungspunkte zwischen ständischer Ordnung
und Legitimismus 1936 von Viktor Frankl angesprochen: Tragende Säulen
beider seien „willige Einfügung in eine höhere übergreifende Ordnung, die
zugleich den eigenen ordo hält und trägt, […] eine Standfestigkeit, die Ruhe
und Beharrung verbürgt, eine Lebenslage und Lebensstellung, die ihrem
Wesen nach als stabil und stetig gedacht werden kann“.765 In der Republik
glaubten die Legitimisten diesen ordo nicht zu finden.766
Das eigentliche Wesensmerkmal der Legitimität benannte Hans Karl Zeß-
ner-Spitzenberg in einer Monographie, in der er diesen Begriff von dem der
„Legalität“ abgrenzte: Es gehe nicht um Rechtsstaatlichkeit, sondern um das
Standhalten vor höheren Gesichtspunkten, jenen des natürlichen, göttlichen
Rechts.767 Die 1927 erschienene, mit Blick auf das bevorstehende Gedenken
an die revolutionären Unruhen von 1918 konzipierte Studie betrachtete die
in Saint-Germain gefundene Lösung als „Legalordnung“, durch welche die
„legitime Ordnung“ verletzt worden sei.768 An anderer Stelle fand der Ver-
fasser für dieses Begriffspaar die Worte „Tatsächlichkeit“ und „Rechtmäßig-
keit“. Die Erstere sei nicht in jeder Hinsicht zu verurteilen769, auch wenn
sie das lediglich Zweckdienliche heilige. Die legitime Ordnung hingegen sei
selbst heilig; wo es um den Besitz höchster Gewalt gehe, müsse sie daher
Vorrang haben.770 „Legitim sind Staaten und Rechtsformen, die ohne noch
nachwirkenden Bruch fremder Rechte entstanden sind“, so der von weltan-
schaulicher Sicherheit zeugende Definitionsversuch. Zeßner-Spitzenberg
wusste aber um die damit verbundenen Probleme und räumte ein: Lücken-
lose Legitimität sei ein kaum erreichbares Ziel, und es sei in der Tat schwer,
deren Grenzen zu bestimmen; daher bestehe auch einer nicht legitimen
Herrschaft gegenüber Gehorsamspflicht, solange sie nicht Unmögliches ver-
lange. Dies sei nicht gleichbedeutend mit bloßem Sich-Abfinden.771 Auf Ös-
764 schindler, Lehrbuch III, 793 f.
765 CS 1. 3. 1936 (V. franKl).
766 F. waGner, Legitimismus, 334.
767 NR 10. 7. 1921 (H. K. Zeßner-sPitZenberG); ähnlich die klassische Definition in GG 3 (1982),
677 (Legitimität/Legalität, Th. würtenberGer).
768 H. K. Zeßner-sPitZenberG, Die Zukunft, 292.
769 Auch in der juristischen Terminologie des 19. Jahrhunderts lagen die Begriffe nahe beiein-
ander; GG 3 (1982), 717 Legitimität/Legalität, Th. würtenberGer).
770 H. K. Zeßner-sPitZenberG, Legitimität, 169–171.
771 NR 10. 7. 1921 (H. K. Zeßner-sPitZenberG). 5. DER MENSCH IST
PERSON288
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580