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mus sahen.816 In Deutschland war man sich dessen bewusst und richtete ent-
sprechende Drohgebärden an Österreich.817
An Grenzverschiebungen dachten die Legitimisten trotz aller Ernsthaf-
tigkeit ihres Engagements nicht.818 Im Juni 1930 wurde das sogenannte
Kleinösterreichische Programm beschlossen, d. h. die Restauration der
Habsburger in den Grenzen von 1920.819 1937 bestätigte Zeßner-Spitzenberg
ausdrücklich, die Bewegung beschränke sich auf „das Österreich von heute,
wie es völkerrechtlich besteht, unter Ablehnung jedes Imperialismus“, und
schloss Absichten auf Restauration der österreichisch-ungarischen Monar-
chie explizit aus.820
Die Hauptträger der legitimistischen Bewegung kamen nicht aus dem
unmittelbaren Umfeld des Kaisers821, sondern waren Persönlichkeiten aus
Österreichs gesellschaftlicher Elite, wie Angehörige der ehemaligen Aristo-
kratie, der Offiziere und Beamten und des konservativen Bürgertums, aber
auch Diener, Handwerker und Fiakerkutscher; groß war der Anteil der älte-
ren Menschen und der Frauen.822 Ähnliches gilt für die Mitglieder der Heim-
wehr:823 Nicht von ungefähr legte Leopold von Andrian – der Dichter stand
in einem Nahverhältnis zu Zeßner-Spitzenberg824 – in seinem als Dialog kon-
zipierten Katechismus der Fuehrenden das Bekenntnis zur Dynastie einem
jungen Offizier des Wehrverbandes in den Mund.825
1930 spaltete sich die Österreichische Volksbewegung ab, deren Anhänger
vor allem aus den unteren Schichten kamen und die für den Ständestaat ein-
trat.826 Dies galt auch für die SGL, die wiederholt die Schaffung einer demo-
kratischen Monarchie verlangten. Ihr Ideal war eine „volkstümliche Einstel-
lung der Monarchie [...], weiters die gerechte Mitwirkung aller Stände (nicht
Klassen!) am Staatsleben, die allein das Wohl der Allgemeinheit gewähr-
leistet“. Im selben Zusammenhang war auch von organischer Gliederung in
816 Kindermann, Österreich, 98; madereGGer, Die Juden, 67 f. und 96 f.
817 Kindermann, Der Feindcharakter, 86–89.
818 mosser, Legitimismus, 13–16.
819 F. waGner, Legitimismus, 40 f.
820 CS 21. 2. 1937 (H. K. Zeßner-sPitZenberG).
821 brandl, Kaiser, 354.
822 carsten, Faschismus, 260–262; mosser, Legitimismus, 354; steKl, Österreichs Adel, 114;
F. waGner, Legitimismus, 333 f.
823 lovreK, Die legitimistische Bewegung, 232; thaler, Legitimismus, 80.
824 Dass es ihm 1938 nicht mehr möglich war, diesem eine Mitteilung bezüglich seines Kate-
chismus zukommen zu lassen, den die Nationalsozialisten teilweise einstampften, bedau-
erte er sehr; Prutsch/ZeyrinGer, Leopold von Andrian, 641; schumacher, Leopold Andrian,
116.
825 v. andrian, Oesterreich, 418 f.
826 F. waGner, Legitimismus, 47.
5.7 LEGITIMITÄT VERSUS LEGALITÄT 293
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580