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Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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des Arbeiterproletariats sei trotz der Besitzlosigkeit ein Stand geworden, eben der vierte.94 Er sprach auch im Fall der Arbeiterschaft von „Standwer- dung“95, freilich übersehend, dass gerade 1789 eher Klassenkampf bedeutet hatte.96 Deutlich erkannten dies hingegen Ignaz Seipel97 und Engelbert Doll- fuß. Letzterer bemängelte, dass die Revolution den Bauernstand vernachläs- sigt habe und dass durch sie die Privilegien einzelner Stände zu sehr in den Vordergrund gerückt seien.98 Oskar Meister ortete 1789 den Beginn einer 1848 vollendeten „Ständeum- schichtung“. Er berief sich auf Wilhelm Heinrich Riehl99, der Bauern und Aristokratie „Mächte des sozialen Beharrens“, den dritten und den vierten Stand „Mächte der sozialen Bewegung“ genannt habe.100 Die Auffassung des konservativen Kulturhistorikers101, Geistliche, Gelehrte, Beamte und Solda- ten seien „unechte“ Stände, teilte Meister indes nicht, vielmehr war es ihm wichtig zu betonen, dass in der Gesellschaftslehre „alles fließt“. Dies könne man schon daraus ersehen, dass Riehl die Definition des vierten Stands schwer gefallen sei: Er habe ihn bloß negativ gekennzeichnet, als den, der keinen festen Platz in der Gesellschaft habe. Gruppen, die man nicht als Stände im Wortsinn bezeichnen könne, seien Hauseigentümer, Mieter, Ar- beitslose oder Verbraucher.102 Zwischen „echten“ und „unechten“ Ständen unterschied auch Oskar von Hohenbruck: Zu Ersteren zählte er die mittelalterlichen Geburtsstände, zu Letzteren den vierten Stand, dem das positive Standesbewusstsein fehle und der aus dem Geist verneinenden Klassenbewusstseins heraus die Rechte der alten Stände beseitigen wolle. Keineswegs blind für irreversible gesellschaft- liche Entwicklungen, bezeichnete der (selbst adlige) Tiroler Bauernbunddi- rektor mit Blick auf die Gegenwart den Adel als „bloße Titulatur“, während die Geistlichkeit im umfassenden Stand der Gebildeten aufgegangen sei. Dem Bürgerstand sei das einst ausgeprägte gemeinsame Standesgefühl ab- handen gekommen. Nur der Bauernstand bestehe noch in alter Form. Es gebe jetzt aber neue Berufsgruppen, die durchaus ein Standesbewusstsein besäßen, etwa die Beamten. Auch die akademischen Berufe seien geeignet, 94 Andere Denker bezeichnen diesen als Klasse; mannheim, Konservatismus, 87. 95 R. schmitZ, Das christlichsoziale Programm, 24; vgl. LThK/III 9 (2000), 924 f. (N. GlatZel); Klose, Interessenverbände, 335. 96 orGler, Ständestaat, 209. 97 seiPel, Der Kampf, 57. 98 dollfuss an österreich, 21–23. 99 Vgl. strelow, Wilhelm Heinrich von Riehl, 193. 100 CS 30. 9. 1934 (O. meister); vgl. seeliG, Die „soziale Aristokratie“, 153. 101 GG 6 (1990), 272 f. (Stand/Klasse, R. walther); strelow, Wilhelm Heinrich von Riehl, 198. 102 CS 30. 9. 1934 (O. meister). 6. STANDESBEWUSSTSEIN312
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Titel
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Untertitel
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Autor
Erika Kustatscher
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien - Köln - Weimar
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Abmessungen
17.4 x 24.6 cm
Seiten
682
Schlagwörter
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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