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[...] in die Gesellschaft eingeschrieben“ (E. Hanisch).180 Jenseits des Ehrbe-
griffs bezeichnete das Adjektiv/Adverb „standesgemäß“ eine Haltung181, die
im Sinn des Personalismus schon als bloßes Sosein hinreichend beschrieben
ist: „Das ist eben alles nicht standesgemäß“, ließ Franz Karl Ginzkey eine
Romanfigur apodiktisch-lapidar erklären182, dieselbe, die im eigenen Stand
ganz und gar aufging: „Ich bin kein Beamter, bin kein Stubenhocker, [...] ich
bin Soldat durch und durch und kann nichts anderes sein.“183
Eduard Ludwig versuchte politische Maximen Kurt Schuschniggs als
Aspekte des Standesbewusstseins nachzuempfinden.184 Im November 1935
wandte sich der Kanzler an die Mitglieder des CV, denen von verschiedenen
Seiten „Berufsgeist und Standesehre des Akademikers“ bzw. „akademisches
Standesbewusstsein“185 vor Augen geführt wurden; als „die Träger geisti-
ger Berufe“ seien sie „notwendigerweise Führer im Volke und ihr Beispiel
oder ihr Beiseitestehen ist richtunggebend für viele“.186 Leopold Kunschak
zitierte ihn mit dem 1933 laut gewordenen Ruf nach „stärkste(r) Förderung
der verschiedenen Standesbewegungen, deren Ausbau auch auf dem Gebiete
der akademischen und freien Berufe; dabei die unbedingte Vorsorge, dass
zwischen diesen Standesbewegungen engste Fühlungnahme gehalten wird,
damit sie nicht isoliert marschieren“.187 Diese Haltung war in Schuschnigg
bereits am Gymnasium wachgerufen worden; später erinnerte er sich an
eine schöne Zeit an der Stella Matutina zusammen „mit Hunderten von an-
deren jungen Österreichern aus allen Kreisen und Schichten, vom Bauern-
buben bis zum Aristokraten“.188 Was ihn hingegen störte, war die Tendenz,
Stände nach materiellen Kriterien zu definieren. In der Monarchie sei die
überwiegende Mehrzahl der Menschen „ihres Auskommens sicher gewesen.
[…] Die Zeit war noch nicht da, in der jeder Stand für seine Besserstellung
kämpfte“.189 Mitschüler erzählten, Schuschnigg habe darunter gelitten, nicht
im hocharistokratischen „ersten“ Internat, sondern im bürgerlich-kleinadli-
gen „zweiten“ erzogen worden zu sein.190 Er verlieh diesem Unbehagen aber
180 hanisch, Aus den Tiefen, 13.
181 funder, Aufbruch, 42.
182 GinZKey, Jakobus, 180.
183 GinZKey, Jakobus, 155; zur Mentalität der Berufsoffiziere vgl. Johnston, Der österreichische
Mensch, 295.
184 ludwiG, Österreichs Sendung, 150 f.
185 Krasser, Sinn und Zweck, 109.
186 K. schuschniGG, Geleitwort, 6.
187 KunschaK, Österreich, 192.
188 K. schuschniGG, Dreimal, 36.
189 K. schuschniGG, Österreich, 18.
190 wandrusZKa, Struktur, 341. 6.
STANDESBEWUSSTSEIN320
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580