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ziehung vorhanden ist, gibt es auch keine Führung.“609 Gleich den Befugnis-
sen des Vaters stamme Führertum von Gott, sei daher seinem Wesen nach
naturrechtlich.610 Richard Meister zitierte Cicero, der in De re publica den
Staatslenker mit dem Hausvater und dessen spezielle Leistungen mit denen
des villicus (Gutsverwalter) verglichen hatte.611 Johann Blöchl gestand, dass
für ihn auch bei der Beurteilung politischer Partner die Frage eine Rolle
spiele, ob einer ein gutes Familienleben führe oder nicht.612
Das eben beschriebene Bild ist nicht das von Familienbeziehungen als
Konstellation optimierbarer Eigeninteressen: Es wurden ausnahmslos Ele-
mente gewürdigt, die über den wechselseitigen Vorteil hinausreichen. Dazu
gehört es auch, die eigene Geschichte als die der eigenen Familie zu ver-
stehen.613 Wilhelm Röpke sprach von der Wichtigkeit der „Stammfamilien“:
„Leute, die niemals auf ihre Ahnen zurückblicken, werden auch keine Ge-
danken für ihre Nachkommen haben.“614 Er schätzte die Familie als orga-
nisch gewachsene Struktur, die sich durch Tugenden wie Solidarität und
Respekt vor Kontinuität und Hierarchie auszeichne. Diese Tugenden be-
zeichnete er anfänglich als die „menschlichen“, ab den fünfziger Jahren als
die „bürgerlichen“.615
Grund genug, aus dem traditionalen Familienbegriff politische Weichen-
stellungen für die Zukunft abzuleiten.616 Die Mandatare, die dies taten, re-
deten jener „Hausväterdemokratie“ das Wort, die es in der offiziellen ständi-
schen Terminologie zwar nicht gab, die aber gleichwohl eine wichtige Stufe
in der Gesellschaftsordnung darstellte.617 Friedrich Funder trat gemäß einer
Anregung Johannes Messners618 für ein Wahlrecht „auf ethischen Grund-
lagen“ ein (Kap. 4.2), dem zufolge Familienerhalter, die für eine mehr als
fünfköpfige Familie zu sorgen hatten, ein höheres Wahlrecht bekommen
sollten.619 Karl Lugmayers Verfassungsentwurf von 1933 forderte eine Zu-
satzstimme schon bei mehr als drei Kindern.620 Richard Nikolaus Couden-
hove-Kalergi begründete dies damit, dass die Eltern ja nur anstelle ihrer
609 enGelhart, Führertum, 11.
610 enGelhart, Führertum, 15.
611 meister, Der Staatslenker, 79.
612 blöchl, Lebenserinnerungen, 83.
613 PrischinG, Paradoxa, 262.
614 habermann, Das Maß, 21.
615 mooser, Liberalismus, 144.
616 finK, Gemeinschaftsrente, 7–9; raab, Ansichten, 114; Pfarrhofer, Friedrich Funder, 247.
617 Gall, Von der ständischen, 24; oestreich, Zur Vorgeschichte, 72.
618 PytliK, Berufsständische Ordnung, 44.
619 funder, Vom Gestern, 39; Pfarrhofer, Friedrich Funder, 173; vgl. wohnout, Verfassungs-
theorie, 158.
620 PelinKa, Stand, 47.
6.6 DIE FAMILIE 359
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580