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Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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Andrian bezeichnete Raum, Zeit und Stand als kulturbestimmende Fakto- ren. Obwohl für ihn selbstverständlich war, dass ein menschliches Indivi- duum an mehreren solcher „Quasisubstanzen“ teilhaben könne und dass die ständische Kulturidee der der Nation weder vor- noch nachgeordnet sei, tendierte er zu einer Überordnung des Faktors Stand vor Nation und schrieb den Ständen kulturelle Sozialfunktionen zu.788 Dahinter stand die Überzeu- gung, der moderne Begriff der Nation berge alle im Volk schlummernden Gefahren in sich; die Überhöhung der Begriffe „Volk“ und „Nation“ durch den Nationalsozialismus verstand er als Fortschreibung der Ideen von 1789. Seine Polemik gegen dieses System ging daher stets mit jener gegen die De- mokratie einher.789 Sie ist Ausdruck des konservativen Axioms, dass Kultur nicht nur ein nationales, sondern auch ein soziales Distinktionsmerkmal sei.790 Mit ähnlichen Argumenten entkräftete Alexander Lernet-Holenia den Rassismus der Nationalsozialisten: „Es ist aber wahr, dass die böhmischen Dienstleute ungefähr so aussehen wie die holländischen; es ist ebenso wahr, dass der russische Adel ungefähr so aussieht wie der österreichische.“791 Wie der Stand galt die Nation als „eine Art Rückversicherung gegen die Risiken der Individualisierung“.792 Sie habe, war Dietrich von Hildebrand überzeugt, gleichsam als Ersatz für verloren gegangene personale Bindun- gen zu gelten.793 Hugo Hantsch unterstrich den Nexus zwischen Nationalis- mus und Liberalismus.794 Der Nationalismus des 19. Jahrhunderts ist somit als eine Spielart des Bedürfnisses nach sozialer Zugehörigkeit zu verstehen, wie sie als Folge der Ereignisse von 1789 immer stärker abhanden gekom- men795 bzw. vom Liberalismus ignoriert worden war. In der Folge gingen Na- tionalisierung und Demokratisierung meist Hand in Hand, und der Nationa- lismus wurde zur Ideologie der Kleinbürger.796 788 v. andrian, Oesterreich, 148–155; CS 28. 2. 1937 (W. breitenfeld); zur These, Volk und Nation seien stärker vereinnahmende Kategorien als Korporation oder Stand vgl. meyer, Stand, 11. 789 dorowin, Retter, 114 f 790 dorowin, Retter, 99 f. 791 lernet-holenia, Der Graf, 149 f. Das Zitat ist vor dem Hintergrund des Faktums zu sehen, dass in Lernet-Holenias Œuvre ungesicherte Vaterschaften häufig sind – weswegen sich Genealogien selten sicher rekonstruieren lassen; mayer, Wunscherfüllungen, 37 f.; zu den Grenzen zwischen den Ständen ebd. 211. 792 schreyer, Die „Nation“, 58. 793 v. hildebrand, Engelbert Dollfuß, 6; connelly, From Enemy, 109. 794 hantsch, Österreichs Schicksalsweg, 15; vgl. fellner, Mission, 89. 795 brix, Liberalismus, 253; hanisch/urbanitsch, Prägung, 94; leisse, Der Untergang, 9 f., 37 und 172; PrischinG, Paradoxa, 261. 796 leisse, Der Untergang, 51–54. Selbst für Otto Bauer war Nationalismus, sofern es nicht nur um die Verkleidung ökonomischer und sozialer Interessen ging, eine Ideologie, die an- 6. STANDESBEWUSSTSEIN376
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Titel
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Untertitel
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Autor
Erika Kustatscher
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien - Köln - Weimar
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Abmessungen
17.4 x 24.6 cm
Seiten
682
Schlagwörter
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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