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auch für den Kanzler selbst festzustellen.1012 Dieser gehörte der Deutschen
Gemeinschaft an, einem kurz nach dem Krieg gegründeten Verband katholi-
scher und nationaler Intellektueller, die sich einer romantischen Volks- und
Reichsidee verschrieben hatten.1013 Erst gegen Ende seines Lebens forderte
er, „dass wir unser eigenes Haus in Ruhe und Frieden bestellen können“1014,
und förderte den Österreichpatriotismus.1015
Ähnliche Ziele wie die Deutsche Gemeinschaft verfolgten der Österrei-
chisch-deutsche Volksbund, eine überparteiliche Organisation für den An-
schluss, die Österreichisch-deutsche Arbeitsgemeinschaft, die dem Ausbau
der Handelsbeziehungen mit dem Deutschen Reich diente1016, und der Deut-
sche Klub. Hier traten u. a. Arthur Seyss-Inquart, Richard Kerschagl und
Edmund Glaise von Horstenau auf.1017
Letzterer verstand unter einem national gesinnten Österreicher den, der
sich grundsätzlich zum Anschlussgedanken bekenne.1018 Eine Sonderstel-
lung Österreichs innerhalb Deutschlands aufgrund der kulturellen Eigen-
ständigkeit und landschaftlichen Besonderheit wünschte freilich auch er.
Als akademisch ausgebildeter Historiker1019 wusste er um die Bedeutung
der Habsburger für die Geschichte Südosteuropas1020, und ihm war auch be-
wusst, wie wichtig die deutschsprachigen Länder Österreichs, allen voran
das 1816 angegliederte Erzstift Salzburg, bereits im Frühmittelalter für die
Verbreitung deutscher Kultur im Osten gewesen waren.1021 1934 erschien
in der Zeitschrift Kunstwart aus seiner Feder ein Beitrag über 1683, das
Jahr eines entscheidenden Siegs über die Osmanen.1022 Laut Ernst Rüdiger
1012 boyer, Wiener Konservativismus, 348; v. hildebrand, Engelbert Dollfuß, 16; JaGschitZ,
Dollfuß, 209–211; mommsen, Theorie, 174; Potočnik, Bewusstsein, 157; reichhold,
Kampf, 74; staudinGer, Österreich-Ideologie, 35.
1013 G. hartmann, Im Gestern, 340; JaGschitZ, Dollfuß, 209 f.; schweitZer, Volkstumsideologie,
58.
1014 dollfuss an österreich, 37–39; vgl. Kindermann, Konservatives Denken, 219 f.
1015 Potočnik, Bewusstsein, 67 und 178.
1016 brucKmüller, Nation Österreich, 304 f.; reichhold, Kampf, 23 f.
1017 ePPel, Zwischen Kreuz, 322.
1018 Glaise-horstenau, Erinnerungen, 69.
1019 Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges studierte er Geschichte, 1925 wurde er Direktor
des Kriegsarchivs, 1934 Privatdozent für neuere Heeres- und Kriegsgeschichte an der
Universität Wien. brouceK, Ein General I, 51; Kriechbaumer, Front, 360; slaPnicKa, Ober-
österreich, 95 f. Bibliographie seiner Werke bei brouceK/Peball, Geschichte, 366–377.
1020 Glaise-horstenau, Katastrophe, 489.
1021 Glaise-horstenau, Heimkehr, 146–148, so auch Hans Eibl; NR 25. 5. 1927, 6. 4. 1929 (H.
eibl).
1022 SZ 3. 12. 1933 (H. hantsch); vgl. suPPanZ, Österreichische Geschichtsbilder, 31, 156–162
und 165–169.
6.8 ÖSTERREICHBEWUSSTSEIN VERSUS NATIONALSOZIALISMUS 399
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580