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Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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Ihre Verfechter hatten allerdings verdrängt, dass der Untergang des Al- ten Reichs von den Zeitgenossen keineswegs als Zäsur empfunden wurde – geschweige denn als epochales Ereignis wie der Zerfall der Monarchie. Auch dass die zentralistische Politik Österreichs im 19. Jahrhundert in Gegensatz zur Reichsidee stand und dass das Alte Reich bis 1848/49 im öffentlichen Bewusstsein nicht präsent war1080, schienen sie zu ignorieren, desgleichen das Faktum, dass die Komponente „Reich“ in der politischen Nomenklatur für die gemeinsamen Behörden seit den späten sechziger Jahren zunehmend auf Widerstand stieß.1081 Was gerade in Österreich am Sacrum Imperium so faszinierend erschien und was die Berührungspunkte mit dem ständischen Gedanken ausmachte, war – abgesehen vom christlichen Universalismus1082 – das „System kom- plementärer Staatlichkeit“ (G. Schmidt), in dem die Herrschaftsrechte nicht beim Kaiser konzentriert waren und sich daher auch als politische Kraft nicht mit dem Staat verbinden konnten. Daher verkörperte das Reich ein Gegenmodell zum absolutistischen Fürstenstaat.1083 „Das Reich ist dort, wo der Staat scheitert“, umschrieb Erwin Reisner den Gedanken prägnant, und es sei etwas, das „auf jeden Fall außerhalb des Bereiches menschlicher Pläne liegt, weil es die geforderte schöpfungsmäßige Form ist, die sich dem Zugriff des Geschöpfes entzieht“.1084 Karl Anton Prinz Rohan schätzte am Reich, dass es „ohne Macht, nur vom Geist, von der Gerechtigkeit aus“ regiert wor- den und nie auf Grenzen bezogen gewesen sei.1085 Der von Gott begnadete, also an eine natürliche Ordnung gebundene Kaiser stand für das Personalitätsprinzip.1086 Auch die Vielgestaltigkeit dieses Gebil- des mit seinen zahlreichen Sonderregelungen, die Rechtsvielfalt1087, die Flexi- bilität und die Offenheit für pragmatische Lösungen1088, der insgesamt stän- dische Charakter1089 und nicht zuletzt der Charakter des alten Reichsrechts, grundsätzlich dafür zu sorgen, „dass alte Strukturen durch neue nie ganz be- 1080 cole, Il Sacro Romano Impero, 273; maZohl/schneider, Translatio Imperii, 109. 1081 Nur im cisleithanischen Teil der Monarchie blieb sie in den Bezeichnungen für viele Ver- bände und Organisationen erhalten; hier gab es auch weiterhin den „Reichsrat“ und das „Reichsgericht“; G. stourZh, Der Dualismus, 1191–1194. 1082 cole, Il Sacro Romano Impero, 265; maZohl, Il Sacro Romano Impero, 63 f.; noser, Die historische Tragik, 219–222; seefried, Reich, 148–151. 1083 buschmann, Kaiser, 59; hanisch/urbanitsch, Prägung, 98; lanGewiesche, Was heißt, 33; maZohl-wallniG, Zeitenwende, 191 und 219; maZohl, Il Sacro Romano Impero, 71–76. 1084 reisner, Das Reich, 94. 1085 NR 4. 5. 1929 (A. rohan). 1086 roellecKe, Das Ende, 106. 1087 maZohl-wallniG, Zeitenwende, 237. 1088 KamPmann, Das Heilige Römische Reich, 720 f. 1089 maZohl-wallniG, Zeitenwende, 217 f. 6. STANDESBEWUSSTSEIN406
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Titel
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Untertitel
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Autor
Erika Kustatscher
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien - Köln - Weimar
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Abmessungen
17.4 x 24.6 cm
Seiten
682
Schlagwörter
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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