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Novotny teilte diese Überzeugung, gab aber zu bedenken, dass der Reichs-
gedanke als „Dienst der staatlichen Gemeinschaft an den höchsten Gütern
überhaupt“ ein Ideal bleiben werde; der österreichische Staatsgedanke
könne hingegen eine konkrete Aufgabe sein.1102
Mitte der dreißiger Jahre gründete Hans Karl Zeßner-Spitzenberg zusam-
men mit Leopold von Andrian und dem deutschen Emigranten Hermann
Mathias Görgen die Österreichische Gesellschaft für Kunst und Wissenschaft.
Hauptaufgabe war die Darstellung der Eigenständigkeit Österreichs; den
„betont Nationalen“ sollten die „betonten Patrioten“ gegenübergestellt wer-
den1103, die auch als „Katholisch-Nationale“ apostrophiert werden können.1104
Zur Propagierung dieses Gedankens sollte jährlich eine Österreichische Aka-
demie statthaben. Die erste Veranstaltung wurde im Juli 1936 in Salzburg
abgehalten.1105 Einige Vorträge kamen im 1937 erschienenen Sammelband
Österreich und die Reichsidee zum Druck.1106 Hier wurde der Geschichtsauf-
fassung der Anschlussbefürworter1107 eine großösterreichische entgegenge-
stellt1108, die sich zur Beschreibung der Monarchie einer Formulierung Tho-
mas von Aquins bediente, nämlich „Einheit in wohlgegliederter Vielheit“1109,
und sie somit zu einem Aspekt des ordo-Gedankens machte.
Der Band beginnt mit einem Beitrag von Julius Wolf über Die Reichsidee
als Fundament des Abendlandes. „Abendland“ wurde als kultureller Begriff
definiert, dessen Wesensmerkmal der christliche Charakter sei.1110 Was ein
„Reich“ von einem „Imperium“ unterscheide1111, seien der Versuch, ein fried-
liches Zusammenleben der Völker auf der Grundlage der Gerechtigkeit zu
ermöglichen, und die Verankerung in religiösen Bindungen.1112
Es folgt ein Aufsatz von Konrad Josef Heilig zum Thema Reichsidee und
österreichische Idee bis 1806, ein Abriss der Geschichte Österreichs seit dem
1102 MSchKP 1, 970 f. (A. novotny).
1103 Prutsch/ZeyrinGer, Leopold von Andrian, 630; seefried, Reich, 169–173; zu Görgens Rolle
in Österreich und zu seiner Nähe zum Legitimismus ebd., 180–189.
1104 stimmer, Eliten, 755–758
1105 H. schuschniGG, Die Österreichischen Akademien, 241–247; habsburG-lothrinGen, Die
Geschichte, 135.
1106 fellner, Reichsgeschichte, 363; maurer, Konrad Josef Heilig, 634 f.; Prutsch/ZeyrinGer,
Leopold von Andrian, 498; seefried, Reich, 173 f.
1107 heiss, Im „Reich der Unbegreiflichkeiten“, 458–462.
1108 seefried, Reich, 193 und 247.
1109 h. schuschniGG, Die Österreichischen Akademien, 246.
1110 wolf/heiliG/GörGen, Österreich und die Reichsidee, 11–15 (J. wolf).
1111 Nicht haltbar ist daher der oberflächliche Vergleich der Reichsidee mit der faschistischen
Romidee bei mittelmeier, Austrofaschismus, 141.
1112 wolf/heiliG/GörGen, Österreich und die Reichsidee, 17–22 (J. wolf); vgl. maZohl-wall-
niG, Zeitenwende,13–15. 6.
STANDESBEWUSSTSEIN408
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580