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Methoden beeinflusst“ war; das „Führenwollen“ sei immer eine preußische
Eigenschaft gewesen, während in Österreich „der Wille zur Bescheidenheit“
vorherrsche.1218 Ähnliche Schwerpunkte der Preußenkritik setzte Franz
Brandl, der seine Abneigung gegen dieses Land dem Kronprinzen Rudolf
in den Mund legte: Er nannte die Preußen „dieses lediglich von Soldaten,
Polizei und Beamten gehaltene und gedrillte Volk ohne geistigen Adel, nur
mit einem Hurrapatriotismus, mit dem sie der ganzen Welt lästig fallen“.1219
Man fühlt sich durch solche Worte an den von Friedrich Heer verwendeten
Begriff der Humanitas austriaca erinnert1220, aber auch an die Sichtweise
des konservativ-liberalen Nationalökonomen Wilhelm Röpke, für den der
preußische Staat eine „Maschine“ und „bloßer Selbstzweck“ war.1221
Anton Klotz sah einen Zusammenhang zwischen Preußentum und Natio-
nalsozialismus1222, nach Erwin Reisner „eine Art Hypertrophie des Preußen-
tums“. Selbst mit dem erkenntnistheoretischen Formalismus Kants ging der
Theologe ins Gericht: Der kategorische Imperativ wisse mit dem Inbegriff
des Sittlichen, der Liebe, nichts anzufangen. Hitler sei ein simpler Empor-
kömmling, der aristokratische Werte proletarisiere. Allerdings sei auch an
der österreichischen Mentalität manches anfechtbar: Die Rede vom Phäa-
kentum1223 habe eine gewisse Berechtigung.1224 Diese Gedanken wurden im
CS veröffentlicht, denn auch Dietrich von Hildebrand konnte preußischem
Wesen nichts abgewinnen; es sei Österreichs Aufgabe, „die deutsche Kul-
tur zu filtrieren und auszubalancieren“: Seine Kultur sei durch den Kontakt
mit Italien veredelt und vermenschlicht.1225 Für Ernst Karl Winter hatte
das Preußentum in Hitler den Zenit erreicht; das Gegenmodell bilde das von
Goethe und Schiller verwirklichte geistige Deutschtum, das auch für Öster-
reich gelte.1226 Hans Karl Zeßner-Spitzenberg sprach von der „Reichsfeind-
lichkeit des Alt- und Neupreußentums, die sich jetzt im Totalitätsstaat des
neudeutsch-nationalistischen Dritten Reiches zur absoluten Antithese der
wahren Reichsidee […] logisch und konsequent fortentwickelt hat“.1227
1218 tomascheK, Gewerkschaftliche Programmatik, 14 f.
1219 brandl, Ein Reich, 251.
1220 Zu ihm vgl. fellner, Reichsgeschichte, 362; Johnston, Der österreichische Mensch, 277–
287.
1221 habermann, Das Maß, 134 f.
1222 KlotZ, Sturm, 26; vgl. noser, Die historische Tragik, 220.
1223 Geprägt 1797 von Schiller in den Xenien; vgl. Johnston, Der österreichische Mensch, 218.
1224 CS 8. 3. 1936 (E. reisner).
1225 CS 24. 2. 1935; seefried, Reich, 225.
1226 heinZ, E. K. Winter, 271.
1227 CS 5. 1. 1936 (H. K. Zeßner-sPitZenberG); vgl. busshoff, Dollfuß-Regime, 11 und 40.
6.8 ÖSTERREICHBEWUSSTSEIN VERSUS NATIONALSOZIALISMUS 419
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580