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tischen Partei und ihrer Weltanschauung mit dem Wesen Österreichs“.1248
Österreich sei „ein anderer deutscher Staat, weil hier auch eine andere Art
der Deutschheit zu Hause ist: die alte völkerverbindende, die im Dienste
der abendländischen Ordnung, nicht im Dienste des Nationalegoismus oder
gar der Rassenideologie steht“. Die Andersartigkeit zeige sich in einer kul-
turellen Mission, „die sich auch in anderen Formen der ständischen Gesell-
schaftserneuerung auswirkt“.1249 1938, knapp zwei Monate vor dem „An-
schluss“, fand er noch markantere Worte: Die „Vertragstreue zum 11. Juli
1936“ erfordere ein ausgeprägtes österreichisches Nationalbewusstsein, sie
müsse „gesamtdeutsche Velleitäten als vertragswidrig erscheinen lassen“.
Er rief in Erinnerung, dass wechselseitige Einmischung in innere Angele-
genheiten nicht vorgesehen sei: „Das sogenannte gesamtdeutsche Denken
und Streben ist [...] mit dem Grundgedanken vom 11. Juli 1936 unvereinbar.
Was ist uns seit dem Nationalsozialismus an gesamtdeutschen Werten ge-
blieben? Staatsform, Staatsidee, Idee vom Recht, Philosophie, Weltanschau-
ung, Idee von Partei, Wesen der Kultur, Sittlichkeitsbegriffe? Alles, alles ist
hüben und drüben gründlich verschieden.“1250
Eines der Anliegen der Verfechter dieser Österreichidee war die Beto-
nung der kulturellen Überlegenheit der Deutschen in Österreich. Bereits
Ignaz Seipel hatte den deutschen Österreicher als den Lehrer der östliche-
ren Völker bezeichnet.1251 In den Oberschichten war das Deutsche auch in
den slawischen Ländern die selbstverständliche Umgangssprache, ab 1784
die einzige Staats- und Verwaltungssprache.1252 Leise schwingt dies selbst
in einer autobiographischen Äußerung des in Osijek (Kroatien) geborenen
Ludwig Adamovich mit, der noch um 1950 betonte, dass alle seine Vorfah-
ren dem deutschen Kulturkreis angehört hätten; mit drei Jahren sei er nach
Wien gekommen, das er als seine eigentliche Heimatstadt betrachte und lie-
be.1253 Der bekannte Staatsrechtler hatte hierbei die Metropole vor Augen, in
der Zentralbeamte aus der gesamten Monarchie wirkten.1254 Seine Aussage
ist auch insofern bezeichnend, als deutsches Fühlen und das Bewusstsein
der aus dieser Kultur abgeleiteten staatstragenden Rolle gerade bei Aka-
1248 Zit. nach waltersKirchen, Blaues Blut, 74.
1249 CS 19. 7. 1936 (H. K. Zeßner-sPitZenberG).
1250 CS 9. 1. 1938 (H. K. Zeßner-sPitZenberG).
1251 SZ 21. 7. 1929 (I. seiPel); zur Würdigung vgl. MSchKP 2, 495 f. (A. novotny); connelly,
From Enemy, 106.
1252 brucKmüller, Nation Österreich, 288; Kann, Nationalitätenproblem 1, 58 f.; suPPanZ, Ös-
terreichische Geschichtsbilder, 48–52.
1253 adamovich, (Selbstdarstellung), 11.
1254 DöMők, Nationalitätenfrage, 29.
6.8 ÖSTERREICHBEWUSSTSEIN VERSUS NATIONALSOZIALISMUS 423
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580