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Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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Arbeit und Gemeinschaft in kleinen Strukturen Die berufsständische Ordnung müsse, wie in Vogelsang’scher Tradition Karl Lugmayer betonte, auf Gruppen beruhen, deren jede nur so groß sein dürfe, dass ihre Mitglieder ihre persönlichen Verhältnisse noch kennen.90 In diesen fänden die Menschen aus ihrer Vereinzelung heraus, und durch die Erfah- rung, dass die Rechtsordnung mit dem Gewissen zusammenhänge, steige ihre Empfänglichkeit für das Recht.91 Ein Unternehmen beruhe auf densel- ben Prinzipien wie die Familie, daher sollten die Mitarbeiter in möglichst inniger Gemeinschaft verbunden sein.92 Das Ideal der auf persönlicher Nähe beruhenden Gemeinschaft ist in einem umfassenden sozialpolitischen Kontext zu sehen. Franz X. Eggers- dorfer lehnte den zwischen Individuum und Staat sich bewegenden Wohl- fahrtsstaat, der das einem jeden Zustehende präzise berechnen zu können glaubt93, als geradezu kommunistisch ab: Zwar gebe es eine „Weltökonomie“ Gottes, der alles trage, aber Gott fordere auch die Mitarbeit der Kreatur an seinem Weltenplan. Wirkliche Wohlfahrt jedes einzelnen Menschen könne nur durch die kleinsten Glieder im Organismus erreicht werden. Als Ideal nannte er die Familie und die sie ergänzende caritas; wirtschaftlich sei der Betrieb die kleinste Einheit, dessen gesündeste Urform der Bauernhof, der den Knecht auch in der weitgehend arbeitsfreien Zeit erhalte.94 Kleine Strukturen im Arbeitsleben, so wieder Lugmayer, seien die einzige Möglichkeit zu verhindern, dass die Beschäftigten in den Status bloßer Ge- halts- und Lohnempfänger hinabsänken.95 Gerade im Fall des Arbeiters war der Wunsch dringlich, dieser müsse eine persönliche, innere Beziehung zu seiner Arbeit haben96, um mehr Verantwortung für das eigene Tun zu über- nehmen.97 Der konservativ-liberale Nationalökonom Wilhelm Röpke riet von der Schaffung von Großbetrieben ab, weil sie die Proletarisierung förderten.98 In Lugmayers Äußerung schwingt Spann’sches Gedankengut mit: Dem Philosophen zufolge müsse sich der Unternehmer zum „Lebensführer“ ent- wickeln und eine patriarchalische Stellung einnehmen.99 Zwar werde gerin- 90 K. luGmayer, Grundrisse, 91; vgl. streitenberGer, Leitbild, 92. 91 K. luGmayer, Grundrisse, 179–181; vgl. orGler, Ständestaat, 212 f. 92 K. luGmayer, Grundrisse, 155; vgl. Pasteur, Kruckenkreuz, 155. 93 Vgl. PiePer, Über die Gerechtigkeit, 111. 94 SZ 18. 5. 1930 (F. X. eGGersdorfer). 95 K. luGmayer, Grundrisse, 203. 96 K. luGmayer, Grundrisse, 169–173. 97 simonett, Die berufsständische Ordnung, 90. 98 habermann, Das Maß, 40 f. 99 StL 1937, 138 f. (E. hruschKa). 7. DIE BERUFSSTÄNDISCHE ORDNUNG444
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Titel
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Untertitel
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Autor
Erika Kustatscher
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien - Köln - Weimar
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Abmessungen
17.4 x 24.6 cm
Seiten
682
Schlagwörter
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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