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Johannes Messner schrieb: „Der festen gliedhaften Verbundenheit und rech-
ten Einordnung des Standes in die Leistungsgemeinschaft steht das Streben
der Klasse gegenüber, eine ihren Forderungen gegenüber der Gesellschaft
entsprechende neue Gestaltung der Gesellschaft zu verwirklichen.“215 Karl
Lugmayer erläuterte, die Klasse gruppiere die Menschen nach lediglich äu-
ßerlichen, materiellen Merkmalen; auch sei es nur die Gemeinsamkeit des
Gegners, was sie ausmache, und daher sei ihr Wesen anorganisch und wi-
dernatürlich.216 Aus demselben Grund bezeichnete Richard Kerschagl die
Klasse als „staatsfeindlich“. Dieses Denken verachte die Arbeit, und es ver-
ändere die Rangordnung der Werte in verderblicher Weise, weil es die Wirt-
schaft vor der Kultur ansiedle.217 Richard Schmitz fand die Begründung der
„Stände“ (sic!) durch den Besitz „unerträglich“.218 Sein Bruder Hans sah den
Unterschied in der Gleichheit der Interessenlage (Klasse) bzw. der Aufgaben
(Stand).219 Dass auch dieses Thema im Grunde Ausfluss personalistischer
Philosophie ist, zeigt Anton Pelinkas glänzende Synthese: „Das Klassenbe-
wusstsein ist eine Reflexwirkung des Instinktes, das Standesbewusstsein
hingegen das Ergebnis vernunftmäßiger Betrachtung.“220
Für manche Theoretiker waren „Stand“ und „Klasse“ einander ausschlie-
ßende Begriffe. Benno Karpeles erklärte unter Berufung auf QA: „Stand und
Klasse schließen sich aus.“221 Ignaz Seipel assoziierte „Klasse“ gar mit „Klas-
senkampf“.222
Andere hingegen sahen, dass sich die Klasse nicht beseitigen ließ. Eine
1937 im CS geführte Diskussion endete mit der Forderung, Stände und
Klassen in ein festes organisatorisches Verhältnis zueinander zu bringen
und sichtbar zu machen, dass sie aufeinander angewiesen sind. Dies schalte
Spannungen nicht aus, halte sie aber in Grenzen.223 Oskar von Hohenbruck
ergänzte: Die Ständeidee wolle nicht den Sieg eines Stands, sondern die
Akzentuierung der Unterschiede. Implizit erläuterte er damit auch, dass
Überwindung des Klassenkampfs die Anerkennung der naturgegebenen Un-
215 messner, Ordnung, 17; vgl. PytliK, Berufsständische Ordnung, 40 und 73.
216 braun, Der politische Lebensweg, 169 und 232–235; F. luGmayer, Karl Lugmayer, 15 f.;
Pribyl, Karl Lugmayer, 33 f., Pribyl, Der christlichsoziale Politiker, 139 f.; R. schmitZ, Der
Weg, 15–17 und 22 f.
217 KerschaGl, Vom Widersinn, 39 f.
218 R. schmitZ, Das christlichsoziale Programm, 24.
219 CS 5. 8. 1934 (H. schmitZ); vgl. bohn, Ständestaatskonzepte, 89; P. nolte, Ständische Ord-
nung, 251.
220 PelinKa, Stand, 244.
221 KarPeles, Klassenkampf, 17; vgl. reitmayer, Politisch-soziale Ordnungsentwürfe, 47.
222 rennhofer, Ignaz Seipel, 263; ähnlich KarPeles, Klassenkampf, 11–14.
223 CS 28. 2. 1937 (St. thomas). 7. DIE BERUFSSTÄNDISCHE
ORDNUNG456
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580