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entsprechenden Interessenvertretungen der Unternehmer vorbereite.292 Er
ging allerdings nicht so weit wie Kurt Piesch, der 1936 in der an der Hoch-
schule für Welthandel in Wien von Walter Heinrich betreuten Dissertation
Berufsständische Ansätze in der Geschichte des Gewerkschaftswesens frei-
legte, indem er die verschiedenen Fachbereiche akzentuierte.293 Der histo-
rische Ansatz seiner Studie führte Piesch zur Beobachtung, dass sich die
Gewerkschaften im Laufe der Zeit von ihrem primären Anliegen, nämlich
dem Kampf um gerechte Löhne, entfernt und umfassenden sozialpolitischen
Aspekten geöffnet hätten: Aus dem Tarifvertrag sei ein „ständischer Arbeits-
vertrag“ geworden.294 Ähnlich den mittelalterlichen Gilden hätten sie die
Tendenz entwickelt, so zitierte er den deutschen Wirtschaftswissenschafter
Lujo Brentano, „den ganzen Menschen zu ergreifen“.295 Der Gemeinschafts-
gedanke296 habe sich besonders nach dem Ersten Weltkrieg gut entwickelt,
so weit, dass viele Gewerkschaften sogar erkannt hätten, dass Lohnforde-
rungen an die Möglichkeiten der Betriebe angepasst werden müssten.297
Fast alle Programme der verschiedenen Gewerkschaften ließen den ständi-
schen Gedanken erkennen.298
Dies hielt Eduard Tomaschek später insbesondere der Beamtengewerk-
schaft zugute, in der „alle, vom Sektionschef über den Hofrat zum Amtsdie-
ner, Berufskollegen“ seien.299 Auch Hans Schmitz’ 1937 geäußerter Gedanke,
dass der Tarifvertrag berufsständischem Geist in hohem Grad entspreche300,
unterstreicht diese Position. Tatsächlich waren in den Führungsinstanzen
die Arbeiter aber unterrepräsentiert, und die Mitglieder hatten lediglich be-
grenzte Rechte.301 Eine Einheitsgewerkschaft im Geist von QA konnte erst
nach 1945 verwirklicht werden.302
Noch 1935, im Anschluss an die Aktion Winter, war neben dem Gewerk-
schaftsbund die Soziale Arbeitsgemeinschaft (SAG) gegründet worden, eine
Unterorganisation der VF, in der sich Leopold Kunschak und Johann Staud
292 bayer, Der berufsständische Aufbau, 13 und 28; PutscheK, Ständische Verfassung, 93.
293 Die teilweise gedruckte Arbeit, die auch die Situation in Deutschland berücksichtigte, lässt
eine gewisse Nähe zum Nationalsozialismus erkennen: So etwa müssten die Maßnahmen
der Gewerkschaften auch „dem völkischen Rahmen und einem Volke eines Blutes“ entspre-
chen; Piesch, Berufsständische Ansätze, 31.
294 Piesch, Berufsständische Ansätze, 16 f.
295 Piesch, Berufsständische Ansätze, 13.
296 Piesch, Berufsständische Ansätze, 19 f.
297 Piesch, Berufsständische Ansätze, 27.
298 Piesch, Berufsständische Ansätze, 29.
299 tomascheK, Die nächsten Aufgaben, 22.
300 MSchKP 2, 628–640 (H. schmitZ).
301 Pasteur, Kruckenkreuz, 73 f.
302 Klose, Quadragesimo anno, 29.
7.5 PROBLEME DER BERUFSSTÄNDISCHEN ORDNUNG 463
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580