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Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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Die Organe des Berufsstandes Land- und Forstwirtschaft wurden nicht, wie in anderen Fällen, ernannt, sondern direkt gewählt. Die Einbindung der Landarbeiter gelang indes nicht durchwegs in befriedigender Weise.358 Sehr bald wurde dieser Berufstand zu einer Domäne des Adels, was de facto eine Vermischung von Geburts- und Berufsstand bedeutete und dem Adel zu neuer Bedeutung verhalf.359 Als weitere berufsständische Hauptgruppe waren die Freien Berufe vor- gesehen. Der Aufbau gelang zwar nicht, die darüber geführte Diskussion ist aber von grundsätzlichem Interesse. Sie begann schon bei der Definition.360 August Zell glaubte, diesem Stand müssten alle angehören, „die nicht gut in die übrigen Stände einzuordnen sind“.361 Für Verfassungsminister Otto Ender362 und für Richard Schmitz363 waren dies Geistliche, Rechtsanwälte und Notare, Lehrer und Erzieher aller Stufen, Eltern364, Ärzte, Apotheker, Krankenpfleger, Hebammen, der „Verwaltungsstand“, Schriftsteller und Künstler. Bei manchen der genannten Gruppen war seit jeher ein ausge- prägtes, von einem spezifischen Ehrbegriff genährtes Standesbewusstsein vorhanden, allein es erwies sich als unmöglich, ein für alle gemeinsames Dach zu finden.365 Im Sinn Paul Schreckers, der den Vertretern der Freien Berufe eine be- sondere Fähigkeit bescheinigte, den Geist der Zeit aufzunehmen, und da- her ihre Mitwirkung an der Gesetzgebung forderte366, und entsprechend der 1929 zum Ausdruck gebrachten Einschätzung von Bundeskanzler Johann Schober, Klerus, Wissenschaft und Kunst wären „die wertvollsten Stän- de“367, gab Felix Klezl zu bedenken, der Begriff „Freie Berufe“ bezeichne in erster Linie eine Art der Tätigkeit im Sinn der artes liberales als Gegen- satz zu den opera servilia – und nicht die Berufsstellung, denn mittler- weile befänden sich viele „Freie“ im Status von Arbeitnehmern.368 Heinrich Foglar-Deinhardstein ortete elitär anmutende Züge, die zwar in hohem Maß ständischen Charakter hätten, aber einer Organisation nicht zugäng- 358 PutscheK, Ständische Verfassung, 134–145; reichhold, Geschichte, 491–493. 359 waltersKirchen, Blaues Blut, 28; waltersKirchen, Adel, 180. 360 PMR VIII/5, Prot. 912/2 (21. 12. 1933), 281. 361 Zell, Ständische Staats-Gliederung, 14 f. 362 PMR VIII/5, Prot. 912/2 (21. 12. 1933), 281; vgl. seliGer, Scheinparlamentarismus, 69. 363 R. schmitZ, Der Weg, 42–46; S. amann, Kulturpolitische Aspekte, 107 f. 364 „d. s. Väter und Mütter ehelicher Kinder, mit denen sie in Hausgemeinschaft leben“; vgl. Anm. 360. 365 PutscheK, Ständische Verfassung, 164–150. 366 schrecKer, Für ein Ständehaus, 30. 367 PMR VI/1, Prot. 590/1 (15. 10. 1929), 342–344. 368 KleZl, Beruf, 75. 7.5 PROBLEME DER BERUFSSTÄNDISCHEN ORDNUNG 469
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Titel
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Untertitel
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Autor
Erika Kustatscher
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien - Köln - Weimar
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Abmessungen
17.4 x 24.6 cm
Seiten
682
Schlagwörter
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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