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Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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des Bestandteiles. Blut, Nahrung, Knochen mögen je etwas anderes sein (un- gleich), an sich sind sie weder wertvoll noch wertlos [...]. Anders die Glieder der Gesellschaft: Arbeiter, Unternehmer, Priester, Laien, Künstler, Zuhörer, Kö- nig, Bürger, Trinker, Nüchterne, Begeisterte, Stumpfe – alle sind sie in ihrer Geistigkeit etwas mit einem ganz eigenen und nur ihnen zukommenden Werte. [...] Das Geistige hat also als notwendigste, unabweislichste Existenzform die Werteigenschaft in sich. In dieser Werteigenschaft ist jeder Bestandteil der Gesellschaft ungleich-wichtig, denn er ist nicht Bestandteil eines Leistungs- gebäudes, sondern Wertteil eines Wertganzen“.502 In jedem Stand gebe es ver- schiedene Grade der Innigkeit und unterschiedliche Ränge der Geistigkeit.503 Im Ergebnis nicht anders war das aus der Tradition Vogelsangs kom- mende Bild menschlicher Ungleichheit. Das 1789 lancierte Verständnis von Gleichheit hätte für den Aristokraten Auflösung der Gesellschaft bedeutet. Mit Papst Leo XIII. teilte er die Auffassung von der natürlichen, gottgewoll- ten Ungleichheit der Menschen. Während vor Gott jeder gleich viel gelte, brauche es in der Gesellschaft eine Zu- und Unterordnung, und nicht jeder habe gleiche Rechte und Pflichten, weil nicht jeder die gleichen Fähigkeiten besitze. Laut RN war Gleichheit nur als Nivellierung nach unten vorstell- bar504, wie überhaupt „Ungleichheit“ in der ständisch bestimmten Welt ein positiv besetzter Begriff war.505 Der Papst betonte die strukturelle Vielfalt der Gesellschaft; diese sei notwendig, denn zur Befriedigung unterschiedli- cher Bedürfnisse brauche es unterschiedliche Kräfte.506 Franz Rehrl erkannte selbst im Kreis der Gläubigen Abstufungen: „Der Berghirte wird in anderem Sinn ein vollkommener Katholik sein als der gelehrte Forscher. Aber jede die- ser Stufen muss als wertvoll und notwendig gefördert werden.“507 Mehrere der Protagonisten des österreichischen Ständestaates waren in dieses Denken über Franz Martin Schindler eingeführt worden: Von ihm hatten sie gehört, dass aufgrund ungleicher leiblich-geistiger Kräfte der ein- zelnen Menschen nicht jeder für jede Arbeit geeignet sei, allerdings auch dass Unterscheidungen an Würde und Rang nur im sozialen Leben, nicht aber in der Ewigkeit erfolgten.508 Johannes Messner übertrug den Gedanken der Ungleichheit auf die Stände, 502 sPann, Der wahre Staat, 189 f.; vgl. Kraus, „Volksvertreter“, 64; schneller, Zwischen Ro- mantik und Faschismus, 43. 503 heinrich, Schlüsselbegriffe, 346; Pichler, Werk, 33 f. 504 hanisch, Konservatives und revolutionäres Denken, 102 f. 505 GG 6 (1990), 207 (Stand/Klasse, W. conZe). 506 hanisch, Konservatives und revolutionäres Denken, 197. 507 sPatZeneGGer, Franz Rehrl, 66. 508 schindler, Lehrbuch II, 351 f 7.6 STÄNDE JENSEITS DER BERUFE 485
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Titel
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Untertitel
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Autor
Erika Kustatscher
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien - Köln - Weimar
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Abmessungen
17.4 x 24.6 cm
Seiten
682
Schlagwörter
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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