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Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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die folglich geschichtet sein müssten.509 Dass es unter den Menschen eine natür- liche Über- und Unterordnung gebe, stand auch für Karl Lugmayer nicht zur Disposition.510 Bei allen in der Körpermetapher verankerten Bekenntnissen zur Gleichwertigkeit der Glieder wies er ein mechanisches Gleichheitsverständ- nis entschieden zurück: „Wir setzen heute unseren staatlichen Aufbau so zu- sammen, als ob wir nicht rechneten: 1+2+3+4=10, sondern =4. Das heißt: wir bewerten nicht, wir zählen. Wir überzeugen nicht und lassen uns nicht über- zeugen, wir stimmen ab.“511 Gleich Spann hielt Lugmayer Gleichheit nur unter Gleichen für möglich512 – auch wenn er nicht so weit ging zu sagen, Demokratie wäre wegen der politischen Unmündigkeit der Massen illusorisch.513 Die berufs- ständische Ordnung verlange geradezu nach Führerpersönlichkeiten.514 Albert M. Weiss hatte dem Begriff der Summe den der inneren, logischen Einheit ge- genübergestellt, die er mit der Autorität gleichsetzte.515 Hält man sich die eben referierten Probleme vor Augen, wird verständlich, was den politischen Entscheidungsträgern im Österreich der dreißiger Jahre deutlich auszusprechen nicht leicht fiel: Eine Organisationsstruktur ist für Stände nicht nötig, ja würde dem wesensmäßig hohen Qualitätsanspruch niemals gerecht. Für Ernst Karl Winter war der ständische Gedanke eine „Staatsidee“: Schon deshalb lasse er sich nicht durch eine Verfassungsreform verwirklichen.516 August M. Knoll fand, Stände seien der Gesellschaft „kate- gorial“, „wesentlich“: Man könne sie gar nicht zerstören.517 Denkt man diesen Gedanken weiter, muss man ergänzen: Man kann sie auch nicht bilden. In diesem Sinne erklärte Bundeskanzler Dollfuß schon bei der Proklamation der berufsständischen Verfassung: „Die Berufsstände dürfen aber nicht eine ein- fache Rechtsnorm werden, wenn sie ihre Aufgabe erfüllen sollen, sie müssen organisch und lebendig sein.“518 Kurt Schuschnigg hatte zur Berufsstände- thematik keine enge Beziehung, ja man darf zweifeln, ob ein Weiterbauen am Ständestaat überhaupt seine Absicht war. Eine „reale Ständeordnung“ lehnte er ab, weil er glaubte, wenn eine solche nötig sei, wäre sie wirkungslos.519 509 messner, Ordnung, 15. 510 K. luGmayer, Grundrisse, 172. 511 Zit. nach tarmann, Die Personalität, 53. 512 K. luGmayer, Leos Lösung, 51. 513 sPann, Der wahre Staat, 113. 514 CS 1. 7. 1934 (K. luGmayer). 515 A. M. weiss, Wesen, 18 f. 516 heinZ, E. K. Winter, 50. 517 Knoll, Der soziale Katholizismus, 10. 518 dollfuss an österreich, 236. 519 orGler, Ständestaat, 192; PytliK, Berufsständische Ordnung, 49; reichhold, Geschichte, 529; streitenberGer, Leitbild, 192; wohnout, Verfassungstheorie, 319; wohnout, Verfas- sungstheorie, 76. 7. DIE BERUFSSTÄNDISCHE ORDNUNG486
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Titel
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Untertitel
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Autor
Erika Kustatscher
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien - Köln - Weimar
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Abmessungen
17.4 x 24.6 cm
Seiten
682
Schlagwörter
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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