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mung der Regierung mit dem ‚gesunden‘ Teil der öffentlichen Meinung“.182
Eduard Ludwig sah in der ständischen Verfassung Österreichs alle Möglich-
keiten der Demokratie verwirklicht und hielt die autoritäre Entwicklung des
Staates für eine Notwendigkeit.183
Wenig überraschend sind Bekenntnisse zum Autoritären aus dem Munde
eines ehemaligen Polizeibeamten. Franz Brandl wusste manch energische
Maßnahme, die er als solcher gesetzt hatte, schlüssig zu begründen: „Man
darf nicht vergessen: wir waren damals [sc. in den 1920er-Jahren, E. K.]
noch mitten im individualistischen Zeitalter mit seinem Respekte vor den
Meinungen der ‚anderen‘, mochten sie sogar ‚staatsfeindlich‘ sein. Es wur-
den nur ‚Zulässigkeitsgrenzen’ abgesteckt.“184 Zentrale Aspekte des Selbst-
verständnisses der Polizei leitete er aus dem Unbehagen am Parteienstaat
ab; mit Blick auf die Anfänge der Republik erklärte er: „Wir waren ja aus
dem Autoritätsstaate in den Parteienstaat hinüber geglitten, in dem die
Partei das Höchste bedeutete. Nur wir Polizisten konnten und wollten das
nicht wahr haben und lehnten es ab, Amboss zu sein, wo wir Hammer sein
sollten.“185 Daher bereitete es ihm Genugtuung, einen so prominenten Ge-
währsmann wie Ignaz Seipel mit der Ansicht zitieren zu dürfen, in manchen
Zeiten könne ein Staat nur durch Polizeipräfekten regiert werden, wie etwa
das Rom der Kaiserzeit. Dieses Rom sei dann aber durch das Werk des Au-
gustinus zur Civitas Dei geworden. Damit sei, auf das moderne Österreich
bezogen, der Neuaufbau auf der Basis von QA gemeint.186
Hermann Struber hatte noch vor der Parlamentskrise vom März 1933
Verständnis für autoritäre Tendenzen in der Politik gezeigt.187 Bei Ludwig
Draxler hingegen waren es die ersten Erfahrungen mit der berufsständi-
schen Ordnung, die ihn zur Einsicht führten, dass diese nur dann funktio-
nieren könne, wenn eine starke Regierung unabhängig von den Wünschen
der einzelnen Berufsstände so entscheide, wie es dem Gemeinwohl ent-
spreche. Das Autoritäre brauche es immer dann, wenn egoistische Motive
überhand nähmen und zum Interesse der Allgemeinheit in Widerspruch
stünden.188 Johann Staud rechtfertigte es mit Blick auf die Probleme einer
raschen Umsetzung der berufsständischen Ordnung, aber „die große staats-
männische Kunst besteht nun darin, die richtige Synthese zwischen Selbst-
182 KlotZ, Sturm, 47 f.; MSchKP 1, 111 f. (A. KlotZ).
183 steiner, Wahre Demokratie?, 44 f.
184 brandl, Kaiser, 109.
185 brandl, Kaiser, 270.
186 brandl, Kaiser, 388.
187 struber, Österreichs Wiederaufbau, 3.
188 PMR IX/6, Prot. 1042/13 (30. 10. 1936), 318.
8.5 DAS AUTORITÄRE 505
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580