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tionale Kräfte in Politik und Gesellschaft bekämpfte. Nicht auf kohärente
philosophische Systeme, sondern auf populäre, wenn nicht vulgäre Gefühle
sich stützend4, konnten die Nationalsozialisten sodann auch als Garanten
des Fortschritts auftreten – was in einem wirtschaftlich darniederliegenden
Land leicht in politisches Kapital umgemünzt werden konnte.
Mit dem Ständestaat konzipierten die Gegner des Nationalsozialismus
hingegen ein Modell, das dieser Ideologie im Innersten zuwiderlief.5 Für
Hitler selbst hatten ständische Strömungen auch deshalb keine Bedeutung,
weil sie in intellektuellen Milieus beheimatet waren.6 Von besonderem Be-
lang ist das mit den zentralen Themen der Studie eng verknüpfte Faktum,
dass sich das Österreich der Zwischenkriegszeit keine neuen Eliten schuf
wie der italienische Faschismus und der Nationalsozialismus, sondern den
alten vertraute.7 Politische Verantwortungsträger wurden mit Bedacht
mehrheitlich aus den Reihen mittlerer und höherer (häufig intellektueller)
Schichten bestellt, die die Systemtransformation nicht als nennenswerten
Bruch empfanden.8 Eine wichtige Rolle spielte der Adel, dessen auf Harmo-
nisierung von Alt und Neu bedachte Konzepte dazu dienten, Alternativen
zur vermeintlich modernen gesellschaftlichen Ordnung zu legitimieren.9
Im Zuge der obligaten Absteckung des politisch-geistesgeschichtlichen
Rahmens (Kap. 3) mussten die österreichisch-italienischen Beziehungen
im Detail rekonstruiert werden. Hierbei zeigte sich, dass eine Übernahme
faschistischer Denkmuster keineswegs in großem Stil und schon gar nicht
in der weltanschaulichen Tiefenstruktur erfolgte: Häufiger als einige Bei-
spiele von Zustimmung zu diesem System waren Äußerungen der Distan-
zierung. Soweit es zu einer engeren Zusammenarbeit mit Italien kam, war
diese der wirtschaftlichen Zwangslage Österreichs geschuldet; weltanschau-
liche Gleichklänge gab es zwar in Teilen der Heimwehr, kaum aber in Regie-
rungskreisen.
Die Annäherung an ein breit gefächertes Spektrum an Äußerungen von
Zeitgenossen – gruppiert um die Mitglieder der vorberatenden Organe der
Bundesgesetzgebung, also der vom Bundespräsidenten, de facto von Bun-
4 botZ, Soziale „Basis“, 16; hanisch, Der lange Schatten, 311; Paxton, Anatomie, 30, 60–66
und 319 f.
5 StL 1935, 107 f.; G. KlemPerer, Konzepte, 119; linZ, Regime, 190; mühlfeld, Rezeption, 33.
6 P. nolte, Ständische Ordnung, 250.
7 böcK, Christlich-konservative Öffentlichkeitsarbeit 177–179; carsten, Faschismus, 220;
hanisch, Der lange Schatten, 312; G. hartmann, Eliten, 223 f.; zurückzuweisen ist die Be-
hauptung, auch in Österreich habe ein „neuer Menschentypus“ geschaffen werden sollen;
mittelmeier, Austrofaschismus, 141.
8 G. hartmann, Eliten, 235 f.
9 Gerstner, Aristokratie, 104.
9. RESÜMEE: STATUS IST ORDO 529
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580