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Geographie, Land und Leute
Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert - Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
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Page - 165 - in Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert - Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg

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165 KP: Da hat man machen müssen, sagen wir im Frühling, die erste Arbeit war die Maushaufen Umrechen. Halt die Haufen, die im Winter entstanden sind, hast du umrechen müssen. Das haben die Kinder, also die Jungen, wie wir, machen müssen. […] Hat man die Maushaufen zusammenrechen müs- sen und den Mist ablegen. Aber ich muss dazu sagen, bei uns ist ja steiles Gelände, da hat man den Mist rauffahren müssen mit dem Aufzug. Aber ohne Maschinen! Da hat einer aufgeladen und oben ist ein Seil gespannt gewe- sen, auf und ab, oben eine Rolle und dann haben zwei, drei Leute gezogen und der ist raufgefahren. Das hat Aufzug geheißen. So hat man den Mist hinaufgebracht, dann hat man ihn ausbreiten müssen. Ich war der Ausbrei- ter, die anderen haben ein bisschen ausgleichen müssen. Dann ist gekommen das Kartoffel Anbauen, Kartoffel Stecken. Einer hat ein Loch gemacht mit der Haue und der andere hat Kartoffel rein schmeißen müssen. Das sind die kleinen gewesen, die Jungen. Die Eltern haben die Löcher gemacht und wir haben halt die Kartoffeln reinschmeißen können. Und so hat man’s gemacht. Ich kann mich erinnern, da oben haben wir ein Feld gehabt. Am Karfreitag war das. Hat man auch da machen müssen – da hat man immer am Karfrei- tag die ersten Kartoffeln gepflanzt. Das ist dazumal so gewesen. […] Danach – gut, das ist ein Kapitel gewesen – die Erdäpfel waren gesteckt, dann hast du Heu rauf tragen müssen. Dann hat man als ganz junger Bub schon Mähen müssen. Da ist man dann um vier Uhr aufgestanden und hat mähen müs- sen bis sechs, sieben, acht, dann hast du ausbreiten müssen – alles von Hand natürlich. Dann hat man mal gegessen und nachher ist man das Heu wenden gegangen. Das neue Heu und das alte – also das, das man gestern gemäht hat und das, das man heute gemäht hat – und jeden Morgen hat man halt ein Stück gemäht. Und dann hat man das ausgebreitet, gewendet, am Nachmittag hat man das dürre Heu, also das vom Vortag, zusammenrechen müssen, ein Bündel gemacht, alles von Hand. 30, 40 solcher Bündel hat man gemacht am Tag. Das ist so das Äußerste gewesen. Und schon mit 12, 13 Jahren hast du so ein Zeug machen müssen. Und am Abend bist du dann ins Bett und am Morgen wieder aufgestanden und immer wieder das gleiche. Das ist natürlich nicht wie heute. Heute wird angefangen und in ein, zwei Tagen ist die Sache gelaufen. Mit den Maschinen geht das schnell. Aber früher bist du zwei, drei Wochen drangewesen. In diesem Ausschnitt erzählt KP eingangs eine Anekdote, mit der er auf unter- haltende Weise vermitteln möchte, wie umfassend man als Kind zur Arbeit auf der Landwirtschaft herangezogen wurde – und dass er die Schule diesen Arbei- ten vorgezogen hätte. Auf die Nachfrage der Interviewerin schließlich beginnt KP die typischen Arbeiten, zu denen Kinder eingeteilt wurden, zu rekonstruieren und bemüht sich um eine Art Überblick. Zur Verdeutlichung des Wandels streut KP immer wieder Hinweise auf die heutige Situation, bzw. die zeitliche und kraftmä- ßige Ersparnis durch diverse Maschinen, ein. Auch einige andere ZeitzeugInnen erzählen, dass sie lieber in die Schule gegan- gen wären als zuhause mitarbeiten zu müssen. Der 1924 geborene IJ erwähnt in
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Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
Subtitle
Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
Publisher
StudienVerlag
Location
Innsbruck
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
Size
15.8 x 23.4 cm
Pages
464
Keywords
Oral history, biographical narratives, narrative traditions, lebensgeschichtliches Erzählen, Erzähltraditionen
Category
Geographie, Land und Leute

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. Einführung 13
  3. 1. Kritik des lebensgeschichtlichen Erzählens 17
    1. 1.1. Potenzial und Grenzen des biografischen Interviews 18
    2. 1.2. Entstehung und Funktion von Erinnerungen 22
      1. 1.2.1. Wahrnehmung 22
      2. 1.2.2. Kollektives, kulturelles, kommunikatives, autobiografischesGedächtnis 25
      3. 1.2.3. Erinnerung 29
    3. 1.3. Spezifika von Erzählungen im Rahmen lebensgeschichtlicher Interviews 31
      1. 1.3.1. Vom Erzählen zur Erzählung 32
      2. 1.3.2. Spezifika von Erzählungen im narrativen Interview 34
      3. 1.3.3. Spezifika lebensgeschichtlicher Erzählungen 35
    4. 1.4. Potenzial der Erinnerungserzählungen 42
  4. 2. Quellenmaterial, Forschungsziel und Auswertung 47
    1. 2.1. Zur Entstehung des Quellenmaterials 47
      1. 2.1.1. Der Idealtyp des narrativen Interviews und die Praxis 48
      2. 2.1.2. Die Arbeit mit dem erhobenen Quellenmaterial 50
      3. 2.1.3. Statistischer Überblick über die biografischen Interviews 52
    2. 2.2. Erinnerungspraxis und Erzähltradition: Definition und Forschungsziel 55
      1. 2.2.1. Zur Methodik der Auswertung und Analyse 58
      2. 2.2.2. Zur Darstellung der Ergebnisse 60
  5. 3. Erinnerungspraxis und Traditionen lebensgeschichtlichen Erzählens 63
    1. 3.1. Einstiege in die lebensgeschichtlichen Erzählungen 63
    2. 3.2. Leitlinien des lebensgeschichtlichen Erzählens 67
    3. 3.3. Topoi in lebensgeschichtlichen Erzählungen 71
    4. 3.4. Lebensgeschichtliche Erzählstoffe und Mustererzählungen 73
      1. 3.4.1. Sagenhaftes von den AhnInnen 74
      2. 3.4.2. AhnInnen als GastarbeiterInnen 78
      3. 3.4.3. Traditionelle Landwirtschaft 84
      4. 3.4.4. Zuerwerb zur Landwirtschaft 98
      5. 3.4.5. Niedergang der traditionellen Berglandwirtschaft 104
      6. 3.4.6. Modernisierung 112
      7. 3.4.7. Alltag im traditionellen Gefüge 127
      8. 3.4.8. Bräuche und Gewohnheiten 136
      9. 3.4.9. Armut und einfache Verhältnisse 152
      10. 3.4.10. „Harte, arbeitsame Kindheit“ 162
      11. 3.4.11. Idyllisierung der einfachen Verhältnisse 173
      12. 3.4.12. Lausbuben- und Schulgeschichten 175
      13. 3.4.13. Autoritäten 183
      14. 3.4.14. Die 1930er Jahre und die „Tausend-Mark-Sperre“ 190
      15. 3.4.15. Der „Anschluss“ und seine Bedeutung für die MontafonerInnen 195
      16. 3.4.16. NS-Propaganda in der Schule 210
      17. 3.4.17. In der Hitlerjugend 213
      18. 3.4.18. Im (Un-)Wissen um die NS-Verbrechen 221
      19. 3.4.19. Repressives NS-System 230
      20. 3.4.20. Auflehnung und Widerstand 235
      21. 3.4.21. Schwarzhandel, Schwarzschlachten, Schwarzhören 237
      22. 3.4.22. Kriegsbeginn und die „verlorenen Jahre“ 243
      23. 3.4.23. Von den Schrecken des Krieges 252
      24. 3.4.24. Gefangenschaft 263
      25. 3.4.25. Heimkehr 268
      26. 3.4.26. Krieg in Vorarlberg 273
      27. 3.4.27. Flüchtlingsgeschichten 278
      28. 3.4.28. Von Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen 287
      29. 3.4.29. Von Deserteueren und „Waldhockern“ 294
      30. 3.4.30. Die drohende Staumauersprengung im Vermunt 297
      31. 3.4.31. Kriegsende 301
      32. 3.4.32. „Heimatverteidiger“ und Widerstandsbewegung bei Kriegsende 304
      33. 3.4.33. Die französische „Besatzung“ und die „Marokkaner“ 309
      34. 3.4.34. Entnazifizierung 324
      35. 3.4.35. Armut und einfache Verhältnisse in der Nachkriegszeit 329
      36. 3.4.36. Schmuggeln und Schmugglergeschichten 333
      37. 3.4.37. Wildern und Wilderergeschichten 337
      38. 3.4.38. Beruflicher Werdegang und Ausbildung 340
      39. 3.4.39. Wirtschaftlicher Aufschwung in der Nachkriegszeit 349
      40. 3.4.40. Neu-Anfang mit dem Tourismus 353
      41. 3.4.41. Urlaube mit der Familie 366
      42. 3.4.42. Liebe und Ehe 370
      43. 3.4.43. Geburt der Kinder 381
      44. 3.4.44. Unfälle und Krankheiten 385
      45. 3.4.45. Umgang mit dem Altern 393
      46. 3.4.46. Umgang mit Tod und Verlust 395
      47. 3.4.47. Naturkatastrophen 400
      48. 3.4.48. Mystisches und rätselhafte Begebenheiten 406
      49. 3.4.49. Kultur- und Jugendpessimismus 411
      50. 3.4.50. Geschlechterrollen und -bilder 414
  6. 4. Zusammenfassung und Synthese 421
    1. 4.1. Erzählstoffe und Leitlinien 422
      1. 4.1.1. Die 50 Erzählstoffe einer Durchschnittsbiografie 424
      2. 4.1.2. Ein Leben geprägt von Wandel 427
      3. 4.1.3. Arbeit als Lebensthema 428
      4. 4.1.4. Männer- und Frauenerzählungen 429
      5. 4.1.5. Geschichtliches und Lebensgeschichtliches 430
    2. 4.2. Erzählstrukturen und -strategien: Rechtfertigung, Idyllisierung, Vergleich 432
  7. 5. Verzeichnisse und Nachweise 439
    1. 5.1. Liste der anonymisierten ZeitzeugInnen 439
    2. 5.2. Literaturverzeichnis 440
    3. 5.3. Internetquellen 454
    4. 5.4. Abbildungsverzeichnis 454
    5. 5.5. Ortsregister 458
    6. 5.6. Personenregister 461
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