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Geographie, Land und Leute
Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert - Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
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265 hinein gekommen. Und dann gleich wieder zurück, weil das … Weltkomitee, oder wie das geheißen hat, sie dürfen nicht bis auf österreichische Gebiete, sie müssen bis da und da zurück. Da hat es viele noch erwischt. [3 sec. Pause] Und sonst kann man nur sagen, dass in der jugoslawischen Kriegsgefangenschaft unwahrscheinliche Zustände geherrscht haben, und dass unwahrscheinlich viele Kameraden am Hunger gestorben sind, und an den Seuchen. Darm… schwere Darmkrankheiten, und von den Läusen … Wie heißt das von den Läusen? [7 sec. Pause] […] Typhus! Laustyphus, Läusetyphus. Es heißt noch ein bisschen anders. Aber von der Laus übertragen. In unserem Lager ist es nicht so bös gewesen, ich habe nur Darmkrankheiten hab ich erwischt. […] Bauchtyphus hab ich gekriegt, da schälen sich die Därme, das kommt so gelb- lich im Stuhl dann. Und im Lager [unverständlich], da haben wir einen deut- schen Arzt gehabt. Und wir haben natürlich auch SSler gehabt, denen ist es natürlich schon schlimm gegangen. Und dann haben wir einen Raum gehabt, wo man Kacheln hinaus getan hat, da hat man müssen den Stuhlgang hinein machen. Und wer von diesen Darmschälungen drinnen gehabt hat – das war ein furchtbar harter Winter – und jetzt erzähl ich Euch etwas, das mag ich gar nicht erzählen. [lacht] Ich bin hergegangen, wo ich einmal so ein biss- chen drinnen gehabt habe, Stuhlgang, und in den Kacheln sind noch schlimme Dinger gewesen, gell. Viel gelb, und da habe ich heraus getan, etwas, und bei mir hinein in den Kot. Und dann habe ich noch eine Woche bleiben können. Vielleicht hat das beigetragen zum den Winter Überleben. I: Und wie hat das Lagerleben ausgeschaut? NN: Lagerleben, ja. Das war halt eine dünne Suppe, morgens einen leeren Kaffee und ein kleines Schnittili Brot. „Türggabrot“358, die haben ja mords viel „Türgga“ dort unten. Und zu Mittag eine Bohnensuppe, wo du hinunter gese- hen hast, und am Abend auch. Hat es ein Stück Brot gegeben. In NNs Erzählung ist die Antipathie den englischen Soldaten gegenüber deutlich spürbar, was darauf hinweist, dass im Rahmen seiner Erzählung jene Gefühle wie- der wach werden, die er beim Rückzug, auf der Flucht, bei der Gefangennahme durch die Engländer und schließlich bei der Übergabe der deutschen Gefange- nen an die jugoslawischen Soldaten empfand. Die Aussagen „So eine Gruppe hätte uns nicht begegnen dürfen“, „die hätten wir schon erledigt“ oder „Die Engländer, die haben uns nicht wollen“ sowie die Schilderungen, dass die englischen Trup- pen zunächst unrechtmäßig auf österreichischen Boden vorgedrungen seien, verdeutlichen die in der Erzählung wiederauflebende Abneigung und Aggression gegenüber den gegnerischen Truppen – die kurze Zeit später doch öffentlich als „Befreier“ gehandelt wurden. Anschließend folgt die Beschreibung der „unwahr- scheinlichen Zustände“ im jugoslawischen Lager, die NN mit einer bewusst ekel- erregenden Geschichte – nach dem vorangestellten Hinweis „und jetzt erzähl ich Euch etwas, das mag ich gar nicht erzählen“ – zu illustrieren versucht. Der Erzähler bemüht sich hier, mittels extremer Beispiele der jungen Zuhörerin (angesprochen 358 Maisbrot.
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Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
Subtitle
Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
Publisher
StudienVerlag
Location
Innsbruck
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
Size
15.8 x 23.4 cm
Pages
464
Keywords
Oral history, biographical narratives, narrative traditions, lebensgeschichtliches Erzählen, Erzähltraditionen
Category
Geographie, Land und Leute

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. Einführung 13
  3. 1. Kritik des lebensgeschichtlichen Erzählens 17
    1. 1.1. Potenzial und Grenzen des biografischen Interviews 18
    2. 1.2. Entstehung und Funktion von Erinnerungen 22
      1. 1.2.1. Wahrnehmung 22
      2. 1.2.2. Kollektives, kulturelles, kommunikatives, autobiografischesGedächtnis 25
      3. 1.2.3. Erinnerung 29
    3. 1.3. Spezifika von Erzählungen im Rahmen lebensgeschichtlicher Interviews 31
      1. 1.3.1. Vom Erzählen zur Erzählung 32
      2. 1.3.2. Spezifika von Erzählungen im narrativen Interview 34
      3. 1.3.3. Spezifika lebensgeschichtlicher Erzählungen 35
    4. 1.4. Potenzial der Erinnerungserzählungen 42
  4. 2. Quellenmaterial, Forschungsziel und Auswertung 47
    1. 2.1. Zur Entstehung des Quellenmaterials 47
      1. 2.1.1. Der Idealtyp des narrativen Interviews und die Praxis 48
      2. 2.1.2. Die Arbeit mit dem erhobenen Quellenmaterial 50
      3. 2.1.3. Statistischer Überblick über die biografischen Interviews 52
    2. 2.2. Erinnerungspraxis und Erzähltradition: Definition und Forschungsziel 55
      1. 2.2.1. Zur Methodik der Auswertung und Analyse 58
      2. 2.2.2. Zur Darstellung der Ergebnisse 60
  5. 3. Erinnerungspraxis und Traditionen lebensgeschichtlichen Erzählens 63
    1. 3.1. Einstiege in die lebensgeschichtlichen Erzählungen 63
    2. 3.2. Leitlinien des lebensgeschichtlichen Erzählens 67
    3. 3.3. Topoi in lebensgeschichtlichen Erzählungen 71
    4. 3.4. Lebensgeschichtliche Erzählstoffe und Mustererzählungen 73
      1. 3.4.1. Sagenhaftes von den AhnInnen 74
      2. 3.4.2. AhnInnen als GastarbeiterInnen 78
      3. 3.4.3. Traditionelle Landwirtschaft 84
      4. 3.4.4. Zuerwerb zur Landwirtschaft 98
      5. 3.4.5. Niedergang der traditionellen Berglandwirtschaft 104
      6. 3.4.6. Modernisierung 112
      7. 3.4.7. Alltag im traditionellen Gefüge 127
      8. 3.4.8. Bräuche und Gewohnheiten 136
      9. 3.4.9. Armut und einfache Verhältnisse 152
      10. 3.4.10. „Harte, arbeitsame Kindheit“ 162
      11. 3.4.11. Idyllisierung der einfachen Verhältnisse 173
      12. 3.4.12. Lausbuben- und Schulgeschichten 175
      13. 3.4.13. Autoritäten 183
      14. 3.4.14. Die 1930er Jahre und die „Tausend-Mark-Sperre“ 190
      15. 3.4.15. Der „Anschluss“ und seine Bedeutung für die MontafonerInnen 195
      16. 3.4.16. NS-Propaganda in der Schule 210
      17. 3.4.17. In der Hitlerjugend 213
      18. 3.4.18. Im (Un-)Wissen um die NS-Verbrechen 221
      19. 3.4.19. Repressives NS-System 230
      20. 3.4.20. Auflehnung und Widerstand 235
      21. 3.4.21. Schwarzhandel, Schwarzschlachten, Schwarzhören 237
      22. 3.4.22. Kriegsbeginn und die „verlorenen Jahre“ 243
      23. 3.4.23. Von den Schrecken des Krieges 252
      24. 3.4.24. Gefangenschaft 263
      25. 3.4.25. Heimkehr 268
      26. 3.4.26. Krieg in Vorarlberg 273
      27. 3.4.27. Flüchtlingsgeschichten 278
      28. 3.4.28. Von Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen 287
      29. 3.4.29. Von Deserteueren und „Waldhockern“ 294
      30. 3.4.30. Die drohende Staumauersprengung im Vermunt 297
      31. 3.4.31. Kriegsende 301
      32. 3.4.32. „Heimatverteidiger“ und Widerstandsbewegung bei Kriegsende 304
      33. 3.4.33. Die französische „Besatzung“ und die „Marokkaner“ 309
      34. 3.4.34. Entnazifizierung 324
      35. 3.4.35. Armut und einfache Verhältnisse in der Nachkriegszeit 329
      36. 3.4.36. Schmuggeln und Schmugglergeschichten 333
      37. 3.4.37. Wildern und Wilderergeschichten 337
      38. 3.4.38. Beruflicher Werdegang und Ausbildung 340
      39. 3.4.39. Wirtschaftlicher Aufschwung in der Nachkriegszeit 349
      40. 3.4.40. Neu-Anfang mit dem Tourismus 353
      41. 3.4.41. Urlaube mit der Familie 366
      42. 3.4.42. Liebe und Ehe 370
      43. 3.4.43. Geburt der Kinder 381
      44. 3.4.44. Unfälle und Krankheiten 385
      45. 3.4.45. Umgang mit dem Altern 393
      46. 3.4.46. Umgang mit Tod und Verlust 395
      47. 3.4.47. Naturkatastrophen 400
      48. 3.4.48. Mystisches und rätselhafte Begebenheiten 406
      49. 3.4.49. Kultur- und Jugendpessimismus 411
      50. 3.4.50. Geschlechterrollen und -bilder 414
  6. 4. Zusammenfassung und Synthese 421
    1. 4.1. Erzählstoffe und Leitlinien 422
      1. 4.1.1. Die 50 Erzählstoffe einer Durchschnittsbiografie 424
      2. 4.1.2. Ein Leben geprägt von Wandel 427
      3. 4.1.3. Arbeit als Lebensthema 428
      4. 4.1.4. Männer- und Frauenerzählungen 429
      5. 4.1.5. Geschichtliches und Lebensgeschichtliches 430
    2. 4.2. Erzählstrukturen und -strategien: Rechtfertigung, Idyllisierung, Vergleich 432
  7. 5. Verzeichnisse und Nachweise 439
    1. 5.1. Liste der anonymisierten ZeitzeugInnen 439
    2. 5.2. Literaturverzeichnis 440
    3. 5.3. Internetquellen 454
    4. 5.4. Abbildungsverzeichnis 454
    5. 5.5. Ortsregister 458
    6. 5.6. Personenregister 461
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