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Geographie, Land und Leute
Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert - Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
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305 das Ende des Krieges vor der Tür gewesen, hätt ich gleich gesagt. Und dann sind die Partisanen, die da bei uns versteckt gewesen sind, noch immer bei uns versteckt gewesen. Das ist jetzt noch eine Episode. Da hat’s geheißen, wir müssen irgendetwas unternehmen, dass da keine fremden Soldaten reinkom- men können. Na gut, hat man gesagt, dann wird die Straße gesprengt. [lacht] Da beim „Festeneck“ draußen, wenn du raus fahrst Richtung Schruns, wo’s dann um die Kurve geht. Ja, gut. Die Partisanen haben das da organisiert und ich, natürlich als ganz Gescheiter – war ja immer der Dümmste und der Blödeste, den man mitnehmen hat können – ich hab da als Wächter mit müssen. Ich hab auf der Straße aufpassen müssen, wenn wer kommt, dann muss ich pfeifen, dann können sie sich verstecken. Dann bin ich da ein Stück weiter draußen gestanden, als auf einmal – zu Fuß natürlich, ist ja kein Auto gefahren! – zwei gekommen sind. Jetzt hab ich gepfiffen! Die sind die drinnen weggelaufen und ich hab mich auch versteckt und die beiden sind vorbeimar- schiert. Irgendwie haben sie’s aber überrissen. Auf jeden Fall ist das ein Gen- darm gewesen und ich weiß nicht wer noch, auf jeden Fall zwei und einer ist ein Gendarm gewesen. Auf jeden Fall haben sie’s irgendwie überrissen, dass da was am Laufen ist. Ich weiß nicht, war’s der Pfiff oder irgendwas. Auf jeden Fall, hat der Gendarm beim „Festeneck“ runtergeschaut und hat angefangen runterschießen. Mit der Pistole. Die sind natürlich da unten gewesen und haben sich versteckt. Die haben dann natürlich angefangen rauf zu schießen. [lacht] Ich weiß noch der Düngler Toni, das ist der Schütze gewesen, der hat dann rauf geteufelt und so. Dann haben sie gesagt – das weiß ich aber nicht, das hab ich nicht gesehen – aber die haben gesagt, der Gendarm hätte sich dann zurückgezogen und sei als kriechender die Straße rauf gerobbt. Ob’s wahr ist, also ob er gekrochen oder gelaufen ist, das weiß ich nicht. Aber die haben gesagt, er sei gekrochen. [lacht] KP schildert, wie er entschied zu desertieren und anschließend zur Gruppe der „Partisanen“ stieß – wobei seine Darstellung eher an ein Abenteuerspiel junger Buben erinnert als an die bewaffnete Abwehr einer ernsthaften Bedrohung. Dies mag auch am selbstironischen Erzählstil KPs liegen, der als „immer der Dümmste und der Blödeste, den man mitnehmen hat können“ vor allem die Schwierigkeiten bei der geplanten Aktion aufzeigt: Beauftragt mit der Warnung der Kollegen vor PassantInnen, macht er ebendiese durch seinen Pfiff ungewollt auf die Gruppe auf- merksam und provoziert damit einen Schusswechsel, im Rahmen dessen vermut- lich sogar ein Mensch verletzt wurde. Während die schwankartige, an einen Streich erinnernde Erzählung KPs einiges über die Zusammenhänge und Beweggründe im Unklaren lässt, präsentiert der 1925 geborene CY, seines Zeichens ebenfalls „Hei- matverteidiger“, eine umfassendere Darstellung. Sie beginnt mit der Information über das Kriegsende, die den im Wald versteckten Deserteuren überbracht wird: CY: Wie dann der Krieg aus gewesen ist, da hat man uns sofort einen hinauf geschickt: „Du, der Krieg ist fertig, jetzt könnt ihr herunter kommen“. Und dann sind wir herunter und beim Dünglers Toni, in seinem … der hat ein
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Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
Subtitle
Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
Publisher
StudienVerlag
Location
Innsbruck
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
Size
15.8 x 23.4 cm
Pages
464
Keywords
Oral history, biographical narratives, narrative traditions, lebensgeschichtliches Erzählen, Erzähltraditionen
Category
Geographie, Land und Leute

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. Einführung 13
  3. 1. Kritik des lebensgeschichtlichen Erzählens 17
    1. 1.1. Potenzial und Grenzen des biografischen Interviews 18
    2. 1.2. Entstehung und Funktion von Erinnerungen 22
      1. 1.2.1. Wahrnehmung 22
      2. 1.2.2. Kollektives, kulturelles, kommunikatives, autobiografischesGedächtnis 25
      3. 1.2.3. Erinnerung 29
    3. 1.3. Spezifika von Erzählungen im Rahmen lebensgeschichtlicher Interviews 31
      1. 1.3.1. Vom Erzählen zur Erzählung 32
      2. 1.3.2. Spezifika von Erzählungen im narrativen Interview 34
      3. 1.3.3. Spezifika lebensgeschichtlicher Erzählungen 35
    4. 1.4. Potenzial der Erinnerungserzählungen 42
  4. 2. Quellenmaterial, Forschungsziel und Auswertung 47
    1. 2.1. Zur Entstehung des Quellenmaterials 47
      1. 2.1.1. Der Idealtyp des narrativen Interviews und die Praxis 48
      2. 2.1.2. Die Arbeit mit dem erhobenen Quellenmaterial 50
      3. 2.1.3. Statistischer Überblick über die biografischen Interviews 52
    2. 2.2. Erinnerungspraxis und Erzähltradition: Definition und Forschungsziel 55
      1. 2.2.1. Zur Methodik der Auswertung und Analyse 58
      2. 2.2.2. Zur Darstellung der Ergebnisse 60
  5. 3. Erinnerungspraxis und Traditionen lebensgeschichtlichen Erzählens 63
    1. 3.1. Einstiege in die lebensgeschichtlichen Erzählungen 63
    2. 3.2. Leitlinien des lebensgeschichtlichen Erzählens 67
    3. 3.3. Topoi in lebensgeschichtlichen Erzählungen 71
    4. 3.4. Lebensgeschichtliche Erzählstoffe und Mustererzählungen 73
      1. 3.4.1. Sagenhaftes von den AhnInnen 74
      2. 3.4.2. AhnInnen als GastarbeiterInnen 78
      3. 3.4.3. Traditionelle Landwirtschaft 84
      4. 3.4.4. Zuerwerb zur Landwirtschaft 98
      5. 3.4.5. Niedergang der traditionellen Berglandwirtschaft 104
      6. 3.4.6. Modernisierung 112
      7. 3.4.7. Alltag im traditionellen Gefüge 127
      8. 3.4.8. Bräuche und Gewohnheiten 136
      9. 3.4.9. Armut und einfache Verhältnisse 152
      10. 3.4.10. „Harte, arbeitsame Kindheit“ 162
      11. 3.4.11. Idyllisierung der einfachen Verhältnisse 173
      12. 3.4.12. Lausbuben- und Schulgeschichten 175
      13. 3.4.13. Autoritäten 183
      14. 3.4.14. Die 1930er Jahre und die „Tausend-Mark-Sperre“ 190
      15. 3.4.15. Der „Anschluss“ und seine Bedeutung für die MontafonerInnen 195
      16. 3.4.16. NS-Propaganda in der Schule 210
      17. 3.4.17. In der Hitlerjugend 213
      18. 3.4.18. Im (Un-)Wissen um die NS-Verbrechen 221
      19. 3.4.19. Repressives NS-System 230
      20. 3.4.20. Auflehnung und Widerstand 235
      21. 3.4.21. Schwarzhandel, Schwarzschlachten, Schwarzhören 237
      22. 3.4.22. Kriegsbeginn und die „verlorenen Jahre“ 243
      23. 3.4.23. Von den Schrecken des Krieges 252
      24. 3.4.24. Gefangenschaft 263
      25. 3.4.25. Heimkehr 268
      26. 3.4.26. Krieg in Vorarlberg 273
      27. 3.4.27. Flüchtlingsgeschichten 278
      28. 3.4.28. Von Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen 287
      29. 3.4.29. Von Deserteueren und „Waldhockern“ 294
      30. 3.4.30. Die drohende Staumauersprengung im Vermunt 297
      31. 3.4.31. Kriegsende 301
      32. 3.4.32. „Heimatverteidiger“ und Widerstandsbewegung bei Kriegsende 304
      33. 3.4.33. Die französische „Besatzung“ und die „Marokkaner“ 309
      34. 3.4.34. Entnazifizierung 324
      35. 3.4.35. Armut und einfache Verhältnisse in der Nachkriegszeit 329
      36. 3.4.36. Schmuggeln und Schmugglergeschichten 333
      37. 3.4.37. Wildern und Wilderergeschichten 337
      38. 3.4.38. Beruflicher Werdegang und Ausbildung 340
      39. 3.4.39. Wirtschaftlicher Aufschwung in der Nachkriegszeit 349
      40. 3.4.40. Neu-Anfang mit dem Tourismus 353
      41. 3.4.41. Urlaube mit der Familie 366
      42. 3.4.42. Liebe und Ehe 370
      43. 3.4.43. Geburt der Kinder 381
      44. 3.4.44. Unfälle und Krankheiten 385
      45. 3.4.45. Umgang mit dem Altern 393
      46. 3.4.46. Umgang mit Tod und Verlust 395
      47. 3.4.47. Naturkatastrophen 400
      48. 3.4.48. Mystisches und rätselhafte Begebenheiten 406
      49. 3.4.49. Kultur- und Jugendpessimismus 411
      50. 3.4.50. Geschlechterrollen und -bilder 414
  6. 4. Zusammenfassung und Synthese 421
    1. 4.1. Erzählstoffe und Leitlinien 422
      1. 4.1.1. Die 50 Erzählstoffe einer Durchschnittsbiografie 424
      2. 4.1.2. Ein Leben geprägt von Wandel 427
      3. 4.1.3. Arbeit als Lebensthema 428
      4. 4.1.4. Männer- und Frauenerzählungen 429
      5. 4.1.5. Geschichtliches und Lebensgeschichtliches 430
    2. 4.2. Erzählstrukturen und -strategien: Rechtfertigung, Idyllisierung, Vergleich 432
  7. 5. Verzeichnisse und Nachweise 439
    1. 5.1. Liste der anonymisierten ZeitzeugInnen 439
    2. 5.2. Literaturverzeichnis 440
    3. 5.3. Internetquellen 454
    4. 5.4. Abbildungsverzeichnis 454
    5. 5.5. Ortsregister 458
    6. 5.6. Personenregister 461
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