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338 WW: Und im Winter hat man halt „gfallnat“427. Weißt du, da hat man immer
Marder …
I: Wie haben diese Fallen ausgeschaut?
WW: Das ist so ein Tellereisen gewesen, oder, so wie ein Schwanenhals. So, so,
so groß. Das hast du auseinander gelegt. Und dann hast du da entsichert. Und
dann ist es gespannt gewesen. Da hast du dann Köder hinein getan.
I: Was ist das für ein Köder gewesen?
WW: Ja, meistens hat man immer so ein bisschen einen Speck mit oder so,
gell. Aber „d’Greetscha“428 sind halt auch immer hinein. Ich weiß noch, da
musste ich dann immer … Wir haben so 20 Fallen gehabt. Dann musste ich
dann immer hinauf, jede Woche hinauf, und schauen, ob drinnen sind und so.
[…] Am Besten hat man es bei alten Tannen, weißt du, drinnen auch Mords-
tannen, alte, dort hat man die Fallen gerichtet. Und damals für einen Marder
hast du 2000 Schillinge bekommen. Ist wie ein Monatslohn gewesen. Ja du.
Aber jetzt bekommst du keinen Schilling mehr.
Eine zweite Komponente des Wilderer-Stereotyps ist, neben dem armen, hungri-
gen Wildschützen einerseits, der freche, mutige, mitunter rebellische Held ande-
rerseits. Der 1910 geborene EF gibt nachfolgend eine Anekdote zum Besten, die
nicht ganz dem üblichen Muster entspricht, da der Wilderer quasi zufällig auf
seine Beute stößt und sie nicht wie ein gewiefter Jäger aufspürt. EFs Darstellung ist
dennoch aufgrund einer Reihe anderer Aspekte besonders interessant:
EF: Aber etwas muss ich dir noch erzählen. Ich habe selber einmal eine da
drinnen geschossen. Das hat einmal uns gehört, „des Hemat do dinna“429. […]
Und dann bin ich mit einem Eimer voll Kalk hinein. Ich glaube, ich hätte
den Stall ausmisten sollen oder was. Das Reh habe ich sowieso schon drinnen
gehabt. Versteckt im Heu. Und danach bin ich … Herrgott, komme ich da
hinein. Das Tor aufgemacht. Weidet ein Reh zwischen Haus und Stall. Und
darüber hat der BP und der CP, der Bub von ihm, und der DP, auch ein Bub
von ihm, […] die haben darüber gemäht. Und eine Magd haben sie gehabt.
Und die hat „d’Mahda zettat“430. Herrgott, habe ich gedacht, das ist schon
verflucht frech, wenn ich dieses Reh schieße. Das hören die ja und sie sehen es
ja. Es hat mir doch keine Ruhe gelassen [I lacht], habe das Gewehr angelegt.
Und „tschak“, das Reh ist halt umgefallen. [I lacht] Habe ich schön da hin-
ein geschossen, alles wieder heraus. Und danach ist es umgefallen. „A paar
Zablr“431. Da habe ich nur gehört, dass man halt gesagt hat: „Es zablat noch“,
das Reh. Ja ich und der HX draußen die Geschichte beobachtet, der Nachbar.
Der ist nämlich auch von dieser Sorte gewesen. Und dann habe ich dieses Reh
427 Fallen aufgestellt.
428 die Eichelhäher.
429 das Anwesen da drinnen.
430 das Heu gewendet.
431 ein paar Zappler; letzte Zuckungen.
Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Title
- Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
- Subtitle
- Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Publisher
- StudienVerlag
- Location
- Innsbruck
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 15.8 x 23.4 cm
- Pages
- 464
- Keywords
- Oral history, biographical narratives, narrative traditions, lebensgeschichtliches Erzählen, Erzähltraditionen
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- Vorwort 11
- Einführung 13
- 1. Kritik des lebensgeschichtlichen Erzählens 17
- 2. Quellenmaterial, Forschungsziel und Auswertung 47
- 3. Erinnerungspraxis und Traditionen lebensgeschichtlichen Erzählens 63
- 3.1. Einstiege in die lebensgeschichtlichen Erzählungen 63
- 3.2. Leitlinien des lebensgeschichtlichen Erzählens 67
- 3.3. Topoi in lebensgeschichtlichen Erzählungen 71
- 3.4. Lebensgeschichtliche Erzählstoffe und Mustererzählungen 73
- 3.4.1. Sagenhaftes von den AhnInnen 74
- 3.4.2. AhnInnen als GastarbeiterInnen 78
- 3.4.3. Traditionelle Landwirtschaft 84
- 3.4.4. Zuerwerb zur Landwirtschaft 98
- 3.4.5. Niedergang der traditionellen Berglandwirtschaft 104
- 3.4.6. Modernisierung 112
- 3.4.7. Alltag im traditionellen Gefüge 127
- 3.4.8. Bräuche und Gewohnheiten 136
- 3.4.9. Armut und einfache Verhältnisse 152
- 3.4.10. „Harte, arbeitsame Kindheit“ 162
- 3.4.11. Idyllisierung der einfachen Verhältnisse 173
- 3.4.12. Lausbuben- und Schulgeschichten 175
- 3.4.13. Autoritäten 183
- 3.4.14. Die 1930er Jahre und die „Tausend-Mark-Sperre“ 190
- 3.4.15. Der „Anschluss“ und seine Bedeutung für die MontafonerInnen 195
- 3.4.16. NS-Propaganda in der Schule 210
- 3.4.17. In der Hitlerjugend 213
- 3.4.18. Im (Un-)Wissen um die NS-Verbrechen 221
- 3.4.19. Repressives NS-System 230
- 3.4.20. Auflehnung und Widerstand 235
- 3.4.21. Schwarzhandel, Schwarzschlachten, Schwarzhören 237
- 3.4.22. Kriegsbeginn und die „verlorenen Jahre“ 243
- 3.4.23. Von den Schrecken des Krieges 252
- 3.4.24. Gefangenschaft 263
- 3.4.25. Heimkehr 268
- 3.4.26. Krieg in Vorarlberg 273
- 3.4.27. Flüchtlingsgeschichten 278
- 3.4.28. Von Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen 287
- 3.4.29. Von Deserteueren und „Waldhockern“ 294
- 3.4.30. Die drohende Staumauersprengung im Vermunt 297
- 3.4.31. Kriegsende 301
- 3.4.32. „Heimatverteidiger“ und Widerstandsbewegung bei Kriegsende 304
- 3.4.33. Die französische „Besatzung“ und die „Marokkaner“ 309
- 3.4.34. Entnazifizierung 324
- 3.4.35. Armut und einfache Verhältnisse in der Nachkriegszeit 329
- 3.4.36. Schmuggeln und Schmugglergeschichten 333
- 3.4.37. Wildern und Wilderergeschichten 337
- 3.4.38. Beruflicher Werdegang und Ausbildung 340
- 3.4.39. Wirtschaftlicher Aufschwung in der Nachkriegszeit 349
- 3.4.40. Neu-Anfang mit dem Tourismus 353
- 3.4.41. Urlaube mit der Familie 366
- 3.4.42. Liebe und Ehe 370
- 3.4.43. Geburt der Kinder 381
- 3.4.44. Unfälle und Krankheiten 385
- 3.4.45. Umgang mit dem Altern 393
- 3.4.46. Umgang mit Tod und Verlust 395
- 3.4.47. Naturkatastrophen 400
- 3.4.48. Mystisches und rätselhafte Begebenheiten 406
- 3.4.49. Kultur- und Jugendpessimismus 411
- 3.4.50. Geschlechterrollen und -bilder 414
- 4. Zusammenfassung und Synthese 421
- 5. Verzeichnisse und Nachweise 439