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392 fen gelernt. Dann auf zwei Krücken, dann auf einer. Und dann am Stock. Die
Illwerke war so großzügig, mich die Lehre weiterführen zu lassen, mit sit-
zender Tätigkeit. Und der Gesundheitszustand ist aber immer besser gewor-
den, sodass ich, ohne dass sich jemand darum gekümmert hat, mit meinem
Jahrgang 1956 zur Facharbeiterprüfung angetreten bin, obwohl ich eigentlich
das Dreivierteljahr, das ich gefehlt habe, eigentlich nachdienen hätte müssen.
Da hat auf gut Zureden, glaube ich, oder Intervention vom damaligen Chef
Anton Grass und dem Auge Zudrücken von der Lehrlingsstelle der Handels-
kammer habe ich antreten können. Die werden gedacht haben, wenn er es
nicht packt, muss er auch das halbe Jahr machen. Und wenn er es packt, ein
gutes Werk. So ist das vermutlich gelaufen. Ich habe diese Gesellenprüfung
bestanden. Und habe das Glück gehabt, dass man mich in der neuen Werk-
statt als Prokurist und mit körperlichem Handicap und als Prokurist behalten
hat und nicht verschickt. Damit ist eigentlich die berufliche Laufbahn ziem-
lich stark vorgegeben gewesen.
IJ ♂, geboren 1924:
IJ: Wir sind dann irgendwo gelandet und kam dann nach Odessa ins Kriegs-
lazarett. Dort wurde der Fuß dann, der schwarz und blau war und hochge-
schwollen, amputiert. Es war keine Möglichkeit sonst.
I: Wie alt waren Sie damals?
IJ: 19 Jahre. Gelt. Ich bin im Dezember geboren und das ist im Februar pas-
siert. 24 im Dezember geboren. Und dann war ich 19 Jahre alt, also etwas
mehr als 19 Jahre. Und dann als junger Bursch denkt man natürlich, „was
kann man noch machen nachher? Was blüht dir?“
I: Waren Sie sehr verzweifelt damals?
IJ: Ja. Nein, man war … die Verzweiflung kommt eigentlich mehr, wenn man
nach Hause kommt. Wo man früher als Kind herumgerannt ist. „Na, wie
kommt man jetzt weiter?“ Aber […] es gab Prothesen, man hat getröstet, es
gibt Prothesen. Ich kann mich erinnern, in unserer Nachbarschaft gab’s einen
Invaliden. Der hat so einen Stelzfuß gehabt. Den hat man über die Hose
mit einem Riemen hingebunden und den Stelzfuß hat der da ein bisschen
geschwungen und so ist er herumgelaufen. Und er hat dann, möcht ich sagen,
da oder dort einmal Holz gehackt oder Hilfsarbeiten gemacht. Und so hat er
sich das Leben gefristet. Und da denkt man, „vielleicht blüht dir das auch?“
Aber es ging dann doch besser, doch doch.
In FFs Darstellung ist besonders deutlich die Dankbarkeit gegenüber dem Arbeit-
geber darüber herauszuhören, dass er „bleiben durfte und nicht verschickt wurde“.
Sein Kampf um die Möglichkeit, die Ausbildung dennoch abschließen zu dürfen,
ändert in seiner Erzählung nichts daran, dass sich FF schließlich doch als Bittstel-
ler empfindet, dem entgegenkommenderweise Arbeit gegeben wird. IJ hingegen
erzählt, mit seiner Behinderung besonders aktiv umgegangen zu sein: In seiner
lebensgeschichtlichen Erzählung berichtet IJ zunächst von seinen Sorgen und
Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Title
- Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
- Subtitle
- Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Publisher
- StudienVerlag
- Location
- Innsbruck
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 15.8 x 23.4 cm
- Pages
- 464
- Keywords
- Oral history, biographical narratives, narrative traditions, lebensgeschichtliches Erzählen, Erzähltraditionen
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- Vorwort 11
- Einführung 13
- 1. Kritik des lebensgeschichtlichen Erzählens 17
- 2. Quellenmaterial, Forschungsziel und Auswertung 47
- 3. Erinnerungspraxis und Traditionen lebensgeschichtlichen Erzählens 63
- 3.1. Einstiege in die lebensgeschichtlichen Erzählungen 63
- 3.2. Leitlinien des lebensgeschichtlichen Erzählens 67
- 3.3. Topoi in lebensgeschichtlichen Erzählungen 71
- 3.4. Lebensgeschichtliche Erzählstoffe und Mustererzählungen 73
- 3.4.1. Sagenhaftes von den AhnInnen 74
- 3.4.2. AhnInnen als GastarbeiterInnen 78
- 3.4.3. Traditionelle Landwirtschaft 84
- 3.4.4. Zuerwerb zur Landwirtschaft 98
- 3.4.5. Niedergang der traditionellen Berglandwirtschaft 104
- 3.4.6. Modernisierung 112
- 3.4.7. Alltag im traditionellen Gefüge 127
- 3.4.8. Bräuche und Gewohnheiten 136
- 3.4.9. Armut und einfache Verhältnisse 152
- 3.4.10. „Harte, arbeitsame Kindheit“ 162
- 3.4.11. Idyllisierung der einfachen Verhältnisse 173
- 3.4.12. Lausbuben- und Schulgeschichten 175
- 3.4.13. Autoritäten 183
- 3.4.14. Die 1930er Jahre und die „Tausend-Mark-Sperre“ 190
- 3.4.15. Der „Anschluss“ und seine Bedeutung für die MontafonerInnen 195
- 3.4.16. NS-Propaganda in der Schule 210
- 3.4.17. In der Hitlerjugend 213
- 3.4.18. Im (Un-)Wissen um die NS-Verbrechen 221
- 3.4.19. Repressives NS-System 230
- 3.4.20. Auflehnung und Widerstand 235
- 3.4.21. Schwarzhandel, Schwarzschlachten, Schwarzhören 237
- 3.4.22. Kriegsbeginn und die „verlorenen Jahre“ 243
- 3.4.23. Von den Schrecken des Krieges 252
- 3.4.24. Gefangenschaft 263
- 3.4.25. Heimkehr 268
- 3.4.26. Krieg in Vorarlberg 273
- 3.4.27. Flüchtlingsgeschichten 278
- 3.4.28. Von Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen 287
- 3.4.29. Von Deserteueren und „Waldhockern“ 294
- 3.4.30. Die drohende Staumauersprengung im Vermunt 297
- 3.4.31. Kriegsende 301
- 3.4.32. „Heimatverteidiger“ und Widerstandsbewegung bei Kriegsende 304
- 3.4.33. Die französische „Besatzung“ und die „Marokkaner“ 309
- 3.4.34. Entnazifizierung 324
- 3.4.35. Armut und einfache Verhältnisse in der Nachkriegszeit 329
- 3.4.36. Schmuggeln und Schmugglergeschichten 333
- 3.4.37. Wildern und Wilderergeschichten 337
- 3.4.38. Beruflicher Werdegang und Ausbildung 340
- 3.4.39. Wirtschaftlicher Aufschwung in der Nachkriegszeit 349
- 3.4.40. Neu-Anfang mit dem Tourismus 353
- 3.4.41. Urlaube mit der Familie 366
- 3.4.42. Liebe und Ehe 370
- 3.4.43. Geburt der Kinder 381
- 3.4.44. Unfälle und Krankheiten 385
- 3.4.45. Umgang mit dem Altern 393
- 3.4.46. Umgang mit Tod und Verlust 395
- 3.4.47. Naturkatastrophen 400
- 3.4.48. Mystisches und rätselhafte Begebenheiten 406
- 3.4.49. Kultur- und Jugendpessimismus 411
- 3.4.50. Geschlechterrollen und -bilder 414
- 4. Zusammenfassung und Synthese 421
- 5. Verzeichnisse und Nachweise 439