Seite - 29 - in Gewalt im Computerspiel - Facetten eines Vergnügens
Bild der Seite - 29 -
Text der Seite - 29 -
THEORIE UND METHODE 27
scheidungen sind diese Begriffe problematische Einhegungen eines eigentlich
unabgeschlossenen Phänomens. In der vorliegenden Arbeit werden deshalb die
Begriffe „Emotion“, „Gefühl“ und das Substantiv „Fühlen“ grundsätzlich aus-
tauschbar verwendet.
Vorsichtiger gehe ich mit dem Begriff „Affekt“ um, der in den letzten zwei
Jahrzehnten eine Konjunktur innerhalb sozial- und kulturwissenschaftlicher
Disziplinen erlebte. Die daraus entstandenen Affekttheorien sind keinesfalls ein-
heitlich, doch gemein haben sie ein Interesse an psychophysischen Prozessen, die
sich ohne das bewusste Zutun der Akteure ergeben.72 Melissa Gregg und Gregory
J. Seigworth beschreiben Affekt in diesem Sinne als eine Art Kanal für Kräfte und
Intensitäten jenseits bewussten Wissens:
„Affect, at its most anthropomorphic, is the name we give to those forces – visceral
forces beneath, alongside, or generally other than conscious knowing, vital forces insis-
ting beyond emotion – that can serve to drive us toward movement, toward thought and
extension, that can likewise suspend us (as if in neutral) across a barely registering ac-
cretion of force-relations, or that can even leave us overwhelmed by the world’s apparent
intractability.“73
Aus diesem Interesse entsteht auch eine Auseinandersetzung mit der politischen
Dimension von Affekten und deren Einschreibung in die Körper sozialer Akteure
beziehungsweise an Momenten des Widerstands gegenüber etablierten Machtver-
hältnissen durch die Umformung affektiver Dispositionen.74
Im Hinblick auf die Analyse von Vergnügen halte ich diese Affekttheorien für
hilfreich, aber nicht unproblematisch. Problematisch sind sie dort, wo sie in Di-
chotomien von äußerlichen vs. innerlichen oder geistigen vs. körperlichen Emo-
tionen zurückzufallen drohen beziehungsweise den Körper als quasi autonom
agierend begreifen. Scheer weist allerdings darauf hin, dass einige der neueren
Affektstudien eine gemäßigtere Auffassung des Affektbegriffs anwenden: „Sie
greifen zwar die von der affect theory gestellten Frage nach den Effekten des Af-
fiziertseins auf, d.h. nach den unbewussten Kommunikationen zwischen Dingen
72 | Vgl. exemplarisch Patricia Ticineto Clough: Introduction. In: Dies./Jean Halley (Hg.):
The Affective Turn. Theorizing the Social. Durham, NC 2007; Melissa Gregg/Gregory J.
Seigworth: Introduction. In: Dies. (Hg.): The Affect Theory Reader. Durham, NC 2010, S.
1-25; Grossberg: We Gotta Get Out of this Place, S. 84-91; Brian Massumi: Parables for
the Virtual. Movement, Affect, Sensation. Durham, NC 2002, S. 23-45.
73 | Gregg/Seigworth: Introduction, S. 1.
74 | Vgl. exemplarisch Emma Dowling: The Waitress. On Affect, Method, and (Re)pre-
sentation. In: Cultural Studies <=> Critical Methodologies 26 (2012), S. 1-9; Lawrence
Grossberg: „I’d Rather Feel Bad than Not Feel Anything at All“. Rock and Roll, Vergnügen
und Macht. In: Göttlich/Winter (Hg.): Politik des Vergnügens, S. 20-53; Brian Massumi:
Fear (The Spectrum Said). In: positions 13 (2005), H. 1, S. 31-48.
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364