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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL58
2.2.4 Ludische Gewalt
Es ist dieses Potenzial virtueller Gewalt für ein Changieren zwischen Bedeut-
samkeit und Entfremdung, das einen spielerischen beziehungsweise ludischen
Umgang mit ihr erlaubt. Spieltheoretische Ansätze helfen, die analytische Funk-
tion dieser Adjektive zu konkretisieren – allerdings fallen sie erst einmal sehr he-
terogen aus. Bereits Ende der 1980er-Jahre konstatierte Hermann Bausinger eine
„Inflation der Spielbegriffe“,183 die sich durch die Konjunktur des Computerspie-
lens und die Formierung der Game Studies bis heute noch intensiviert hat. „‚Das
Spiel‘“, so formuliert es Claus Pias mit Rückblick auf die Begriffsgeschichte, „ist
nicht etwas, sondern war immer etwas Verschiedenes zu verschiedenen Zeiten.“184
Mal bezeichnet der Begriff ein Konstrukt aus Regeln und Prozessen, das als „Zau-
berkreis“ aus dem sonstigen Alltag ausgeklammert ist,185 mal eine spannungs-
reiche Figuration beziehungsweise einen Wettkampf,186 mal Glücksspiel, mal ein
rauschartiges Erleben, mal einen Prozess mimetischer Nachahmung,187 und mal
183 | Hermann Bausinger: Zur Kulturgeschichte des Spiels und des Spielerischen. In:
Ders. u.a.: Spielwelten. Spiele und Spielzeug aus zwei Jahrhunderten. Bregenz 1988, S.
17-30, hier: S. 25.
184 | Claus Pias: Wirklich problematisch. Lernen von „frivolen Gegenständen“. In: Ders./
Christian Holtorf (Hg.): Escape! Computerspiele als Kulturtechnik. Köln 2007, S. 255-
269, hier: S. 257.
185 | Als Ursprung des Begriffs Zauberkreis bzw. magic circle wird immer wieder Johan
Huizinga herangezogen. Vgl. Ders.: Homo Ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel.
Reinbek bei Hamburg 21. Aufl. 2009 [erstmals 1938], u.a. S. 18, S. 230. Allerdings
bleibt der Begriff bei Huizinga sehr vage und wird beispielsweise nur als eine von vielen
Möglichkeiten der räumlichen Begrenzung von Spiel genannt. Dass er in den Game Stu-
dies immer wieder aufgegriffen wurde und wird, ist vielmehr Ergebnis von Katie Salens
und Eric Zimmermans Weiterentwicklung des Begriffs in Dies.: Rules of Play, S. 92-99. Für
eine Kritik des magic circle-Konzepts vgl. u.a. Mia Consalvo: There is No Magic Circle. In:
Games and Culture (2009), H. 4, S. 408-417; Britta Neitzel: Metacommunicative Circles.
In: Stephan Günzel/Michael Liebe/Dieter Mersch (Hg.): Conference Proceedings of the
Philosophy of Computer Games 2008. Potsdam 2008, S. 278-294.
186 | Vgl. dazu bspw. Norbert Elias/Eric Dunning: Sport und Spannung im Prozess der
Zivilisation. Baden Baden 2003, hier insb.: S. 284-285. In einer früheren Studie habe ich
mich selbst auf den Figurationsbegriff von Elias und Dunning bezogen, der dann hilfreich
ist, wenn man Spiel vor allem als Wettkampf verstehen möchte. Vgl. Bareither: Ego-
Shooter-Spielkultur, S. 18-21.
187 | Zu den letzten vier Perspektiven vgl. die einflussreiche Unterscheidung in agôn,
alea, mimicry und ilinx von Roger Caillois, u.a. in Ders.: The Definition of Play and The
Classification of Games. In: Katie Salen/Eric Zimmerman (Hg.): The Game Design Reader.
A Rules of Play Anthology. Cambridge, MA 2006, S. 122-155.
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364