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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL178
Die jeweils gewählte virtuelle Waffe ist damit ein integraler Bestandteil der
virtuell-körperlichen Beziehung der Spieler zur virtuellen Umwelt. Genau wie
Avatare in Actiongames keine einfachen Spielfiguren sind, sind Waffen keine ein-
fachen virtuellen Gegenstände, sondern sie erweitern die Avatare in ihrer Funkti-
on als Medien virtueller Praxis und Erfahrung. Dabei nehmen sie für die embodi-
ment relation zwischen Spieler und Avatar prinzipiell die gleiche Funktion ein wie
physische Waffen für physische Körper. Waffen sind, so Wolfgangs Sofsky, nach
dem Prinzip der „Selbsterweiterung“ konstruiert:253
„Durch die Waffe, sei es ein Faustkeil oder Speer, ein Gewehr oder eine Granate, vergrö-
ßert der Mensch Radius und Wirkung seiner Gewalt. Er kann damit mehr anrichten als
mit sich selbst. Die Waffe stärkt ihn, sie steigert seine Macht und sein Selbstvertrauen.
Er kann angreifen, muss nicht bloß flüchten oder sich verteidigen. Er kann drohen, ver-
wunden, töten.“254
Diese Funktionslogik der Waffe wird auch im Computerspiel simuliert. Mit ande-
ren Worten: Die virtuelle Waffe ist kein externer Bestandteil der embodiment rela-
tion zwischen Spieler und Avatar, sondern erweitert diese um spezifische Fähig-
keiten und Interaktionsmöglichkeiten mit der virtuellen Umwelt, was wiederum
Potenziale für spezifische Erfahrungen schafft. „Die ,WAFFE‘“, so formulieren
auch Adelmann und Winkler mit Rückgriff auf ihr Modell der Para-Aktion (vgl.
auch Kap. 3.1.2), „ist also keine Waffe, wie eine Volkspädagogik glauben machen
möchte, sondern die Zusammenballung, Eröffnung und Ermöglichung weiterer
Para-Aktionen. Sie ist ein Agency Power-Up, eine weitere Steigerung der Hand-
lungsfähigkeit, wie zum Beispiel ein Beschleuniger in einem Rennspiel oder ein
neues item in einem Simulations- oder Rollenspiel.“255
Genau deshalb ist die Auswahl und Vielfalt der Waffen, wie sie beispielswei-
se in Computerspielzeitschriften seit den 1980er-Jahren zelebriert wird (s.o.),
so wichtig für die Spieler. Denn erst dadurch ergeben sich die entscheidenden
Variationen in der Qualität der virtuell-körperlichen Erfahrungen. Durch unter-
schiedliche Waffen können sich Spieler auf unterschiedliche Arten und Weisen
als selbstwirksam, elegant oder auch dominant erfahren.
Ein Beispiel: Der Let’s Player Sep hat seinem Piratenassassinen in Assassin’s
Creed 4 ein paar neue Doppelschwerter spendiert, die er sogleich ausprobieren
will (empfohlenes Beispiel).256 Über die Dächer einer Karibikstadt springend ent-
deckt er eine feindliche computergesteuerte Stadtwache. „Ja komm“, beschließt
253 | Sofsky: Traktat über die Gewalt, S. 32.
254 | Ebd.
255 | Adelmann/Winkler: Kurze Ketten, S. 103.
256 | PietSmiet (Sep): AC4 BLACK FLAG # 08 - Im Dunkeln ist gut Munkeln «» Let’s Play
Assassin’s Creed 4 Black Flag | HD (4.11.2013), 5:35-5:55. https://www.youtube.com/
embed/xo-iq6QqKZc?start=335&end=355
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364